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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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etwa mit mir beten?»
    «Er will mit dir reden», erwiderte Beocca und stampfte mit dem lahmen Fuß auf, als ich mich nicht vom Fleck bewegte. «Das
     ist keine Bitte, Uhtred, sondern ein königlicher Befehl.»
    Ich legte mein Kettenhemd an, nicht weil es Zeit war, mich zum Kampf zu rüsten, sondern weil mich das Lederfutter an diesem
     kalten Morgen ein wenig wärmen konnte. Trotz Iseults Bemühungen war es nicht gerade sauber. Die meisten Männer trugen ihr
     Haar kurz, doch ich hatte es, wie bei den Dänen üblich, lang wachsen lassen, und so band ich es im Nacken zusammen, während
     Iseult ein paar Strohhalme herauszupfte. «Wir müssen uns beeilen», sagte Beocca. Ich folgte ihm über einen aufgeweichten Pfad,
     vorbei am großen Palas und der neu gebauten Kirche bis hin zu einer Gruppe kleinerer Gebäude aus Holz, die offenbar auch erst
     vor kurzem errichtet worden waren, denn die Balken zeigten noch keinerlei Verwitterung. Alfreds Vater hatte Cippanhamm nur
     als Jagdquartier genutzt, Alfred baute es weiter aus. Die Kirche war der erste seiner neuen Bauten und fertiggestellt worden,
     noch ehe er die Palisaden ausbessern und erweitern ließ. Der König ließ nie Zweifel darüber aufkommen, was ihm am wichtigsten |188| war. Sogar jetzt, da hier der gesamte Adel von Wessex nur einen Tagesmarsch von den Dänen entfernt versammelt war, sah man
     mehr Kirchenmänner als Soldaten, ein weiterer Umstand, der deutlich machte, wie Alfred sein Reich zu schützen gedachte. «Der
     König zeigt dir seine Güte», zischte mir Beocca zu, als wir eine Tür durchschritten. «Darum rate ich dir, dich in Demut zu
     üben.»
    Beocca klopfte an eine weitere Tür, stieß sie auf, ohne eine Antwort abzuwarten, und forderte mich auf, einzutreten. Er selbst
     blieb zurück, schloss die Tür hinter mir und ließ mich in einem düsteren Halbdunkel stehen.
    Auf einem Altar flackerten zwei Bienenwachskerzen, in deren Schein ich zwei Männer vor einem schlichten Holzkreuz knien sah,
     das zwischen den Kerzen stand. Die Männer hatten mir den Rücken zugekehrt, doch ich erkannte Alfred an seinem pelzbesetzten
     blauen Umhang. Der zweite Mann war ein Mönch. Die beiden waren ins Gebet versunken, also wartete ich. Der Raum war klein,
     offenbar eine private Kapelle, ausgestattet nur mit dem Altar und einem Betstuhl, auf dem ein geschlossenes Buch lag.
    «Im Namen des Vaters   …», unterbrach Alfred schließlich die Stille.
    «Und des Sohnes   …», fuhr der Mönch fort, den ich an seinem Englisch als Asser erkannte.
    «Und des Heiligen Geistes», schloss Alfred. «Amen.»
    «Amen», echote der Esel, worauf beide aufstanden, im Gesicht das milde Lächeln andächtiger Christen, die ihre Gebete zur eigenen
     und Gottes Zufriedenheit aufgesagt haben. Alfred blinzelte, als sei er überrascht, mich zu sehen, obwohl er Beoccas Klopfen
     und mein Eintreten mit Sicherheit gehört hatte.
    «Ich hoffe, du hast gut geschlafen, Uhtred», sagte er.
    «Ich hoffe, Ihr habt gut geschlafen, Herr.»
    |189| «Die Schmerzen hielten mich wach», erwiderte Alfred und berührte seinen Bauch. Dann durchquerte er den Raum und öffnete zwei
     schwere Holzläden, worauf trübes, fahles Licht in die Kapelle fiel. Das Fenster wies auf einen Hof hinaus, auf dem sich mehrere
     Männer aufhielten. Der König fröstelte, denn es war sehr kalt. «Wir begehen heute den Tag des heiligen Cedd», erklärte er.
    Ich sagte nichts.
    «Hast du schon einmal vom heiligen Cedd gehört?», fragte er mich und lächelte nachsichtig, weil er mein Schweigen als Unkenntnis
     deutete. «Er stammte aus Ostanglien, nicht wahr, Bruder?»
    «So ist es, Herr, aus Ostanglien», bestätigte Asser.
    «Und er wirkte viele Jahre in Lundene», fuhr Alfred fort, «beschloss aber seine Tage auf Lindisfarena. Diesen Ort müsstest
     du kennen, Uhtred.»
    «Ich kenne ihn, Herr», sagte ich. Die Klosterinsel lag unmittelbar vor Bebbanburg. Vor nicht allzu langer Zeit war ich mit
     Graf Ragnar dort gewesen und hatte mit angesehen, wie die Mönche von dänischen Schwertern dahingerafft worden waren. «Ich
     kenne ihn gut», fügte ich hinzu.
    «Also ist Cedd in deiner Heimat bekannt.»
    «Ich habe nie von ihm gehört, Herr.»
    «Für mich ist er gleichsam ein Sinnbild», sagte Alfred. «In Ostanglien zur Welt gekommen, lebte und arbeitete er in Mercien
     und starb in Northumbrien.» Er legte seine langen, bleichen Hände zusammen. «Die Sachsen Englands, Uhtred, versammelt vor
     Gott.»
    «Und im

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