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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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abstechen.»
    «Mein Name ist Uhtred Uhtredson», erwiderte ich.
    «Wir müssen uns beeilen», zischte Leofric hinter mir.
    Die Schneeflocken wirbelten nun so dicht über dem Sumpf, dass der Hügel, von dem wir Ausschau gehalten hatten, nicht mehr
     zu erkennen war. «Du bist ein toter Mann, Uhtred», sagte Guthrum.
    «Ich bin Eurer Mutter nie begegnet», rief ich ihm zu, «hätte sie aber gern kennengelernt.»
    Sein Gesicht nahm, wie immer, wenn von seiner Mutter die Rede war, einen ehrfürchtigen Ausdruck an, und es schien, dass er
     bedauerte, so schroff zu mir gesprochen zu haben, denn er gab sich jetzt versöhnlich. «Sie war eine große Frau», sagte er.
    Ich lächelte. Es wäre für mich in diesem Augenblick ein Leichtes gewesen, die Seiten zu wechseln. Ich hätte nur etwas Gutes
     über seine Mutter sagen müssen und wäre von Guthrum mit offenen Armen aufgenommen worden. Aber ich war ein streitlustiger
     junger Kerl im Kampfesrausch. «Ich hätte ihr ins hässliche Gesicht gespuckt», sagte ich zu Guthrum, «und jetzt pisse ich auf
     ihre Seele und sage dir, dass die Bestien von Niflheim ihre ranzigen Knochen bespringen.»
    Er schrie vor Wut. Seine Männer ergriffen ihre Waffen. Manche sprangen ins seichte Wasser, um uns in die Zange zu nehmen und
     die entsetzliche Beleidigung zu rächen. Doch Leofric und ich rannten wie gehetzte Eber durch Schilf und Schlick auf die Boote
     zu. Zwei hatten schon abgelegt, aber eines wartete auf uns. Wir stürzten an Bord, |233| und sogleich stemmte der Fährmann mit kräftigem Stakenschub den Kahn aufs schwarze Wasser hinaus. Die Dänen versuchten uns
     zu folgen, doch wir glitten erstaunlich schnell im dichten Schneegestöber davon. Guthrum brüllte mir nach. Ein Speer wurde
     geworfen, aber der Mann aus den Marschen stakte erneut, und der Speer fuhr in den morastigen Grund.
    «Ich werde dich finden!», schrie Guthrum.
    «Soll ich mir deswegen Sorgen machen?», rief ich zurück. «Deine Männer taugen doch eh nur zum Sterben.» Ich hob mein Schwert
     und küsste seine klebrige Klinge, «und deine Mutter war eine Hure!»
    «Du hättest diesen einen Mann leben lassen sollen», hörte ich eine Stimme hinter mir. «Ich wollte ihn nämlich befragen.» Außer
     Leofric und mir war nur noch ein Mann an Bord dieses Kahns. Es war der Priester mit dem Schwert. Er saß im flachen Bug und
     bedachte mich mit einem Stirnrunzeln. «Es war nicht nötig, ihn zu töten», sagte er streng, worauf ich ihm einen so wütenden
     Blick zuwarf, dass er zusammenzuckte. Verdammt seien alle Priester, dachte ich. Ich hatte diesem Kerl das Leben gerettet,
     und mein einziger Dank waren Vorwürfe. Und dann bemerkte ich, dass er gar kein Priester war.
    Es war Alfred.
     
    Der Kahn glitt durch das schwarze Wasser und streifte Schilf und Binsen. Der in Otternfelle gekleidete Mann, der ihn stakte,
     war eine gebeugte, wettergegerbte Erscheinung mit einem mächtigen Bart, der einen zahnlosen Mund umwucherte. Wir hatten Guthrums
     Dänen, die jetzt ihre Toten bargen, schon weit hinter uns gelassen. «Der Gefangene hätte uns verraten können, was sie vorhaben»,
     beklagte sich Alfred.
    |234| Er klang jetzt etwas respektvoller, und rückblickend glaube ich, dass ich ihm, blutverschmiert, wie mein Kettenhemd, mein
     Helm und auch mein Gesicht waren, große Angst einflößte.
    «Sie haben vor, ganz Wessex zu unterwerfen», entgegnete ich schroff. «Zu dieser Feststellung müsst Ihr keinen Gefangenen befragen.»
    «Herr», sagte er.
    Ich starrte ihn an.
    «Ich bin König und verlange Respekt.»
    «König? Wovon?», fragte ich.
    «Seid Ihr auch nicht verletzt, Herr?», erkundigte sich Leofric.
    «Nein, Gott sei Dank, nein.» Er betrachtete sein Schwert, und mir fiel auf, dass er gar kein priesterliches Gewand, sondern
     einen weiten schwarzen Umhang trug. Sein schmales Gesicht war sehr bleich. «Auch dir möchte ich danken, Leofric», sagte er,
     und als er seinen Blick auf mich richtete, schien er zu erschauern. Wir hatten die beiden anderen Kähne eingeholt. In einem
     sah ich die schwangere Ælswith, in einen Silberfuchsmantel gehüllt. Iseult und Eanflæd befanden sich im selben Kahn. Auf dem
     anderen waren die Priester und auch Bischof Alewold von Exanceaster.
    «Was ist geschehen, Herr?», fragte Leofric.
    Alfred seufzte. Es war nun deutlich, dass er am ganzen Körper zitterte. Trotzdem erzählte er seine Geschichte. Er war mit
     seiner Familie, den Leibwachen und mehreren Kirchenmännern von Cippanhamm

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