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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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auf das, was er eben selbst
     gesagt hatte, mir aber schienen seine Worte einen verdrehten Sinn zu ergeben. Es gab in Wessex Männer, ohne Anführer, die
     sich jedoch einen Anführer wünschten und zu kämpfen bereit waren. Vielleicht würden wir das Sumpfland absichern können, dann
     Svein besiegen, Defnascir besetzen und so, Stück für Stück, Wessex zurückerobern. Doch als ich gründlicher darüber nachdachte,
     wurde mir klar, dass das nichts weiter war als ein Traum. Die Dänen hatten gewonnen. Wir waren Flüchtlinge.
    Alfred streichelte die goldenen Locken seiner Tochter. «Sie werden bis hierher Jagd auf uns machen, nicht wahr?»
    «Ja.»
    «Könnt ihr uns verteidigen?»
    «Leofric und ich? Nur wir zwei?»
    «Du bist doch ein Kämpfer, oder? Man hat mir zugetragen, dass du Ubba bezwungen hast und kein anderer.»
    «Ihr wusstet, dass ich Ubba getötet habe?», fragte ich.
    «Kannst du uns verteidigen?»
    Ich ließ mich nicht ablenken. «Wusstet Ihr, dass ich bei Cynuit den Sieg für Euch errungen habe?»
    «Ja», sagte er einfach.
    «Und zu Kreuze zu kriechen war mein Lohn? Gedemütigt zu werden?» Die Wut ließ meine Stimme laut werden. Æthelflaed schlug
     die Augen auf und starrte mich an.
    «Ich habe Fehler gemacht», sagte Alfred. «Wenn all das überstanden und Wessex durch Gottes Hilfe den Westsachsen zurückgegeben
     ist, werde ich das Gleiche tun. Ich werde das Büßerhemd anlegen und mich Gott in Demut unterwerfen.»
    Ich hätte den frömmelnden Bastard am liebsten auf der |241| Stelle umgebracht, doch Æthelflaed beobachtete mich aus ihren großen Augen. Sie hatte sich nicht gerührt, deshalb wusste ihr
     Vater nicht, dass sie wach war. Ich aber wusste es, und so hielt ich meine Wut im Zaum. «Ihr werdet erfahren, dass reuige
     Buße hilft», sagte ich.
    Diese Worte brachten sein Gesicht zum Strahlen. «Hat sie dir geholfen?», fragte er.
    «Sie hat mich zornig gemacht», sagte ich, «und zu hassen gelehrt. Und beides ist gut, Zorn und Hass.»
    «Das kann nicht dein Ernst sein.»
    Ich zog Schlangenhauch halb aus der Scheide, worauf Æthelflaeds Augen noch größer wurden. «Diese Waffe tötet», sagte ich und
     ließ das Schwert in seine mit Vlies gefüllte Scheide zurückgleiten. «Doch erst Zorn und Hass verleihen ihm die Kraft dazu.
     Wer ohne sie in den Kampf zieht, ist sofort tot. Wenn wir überleben wollen, brauchen wir alle Klingen, allen Zorn und allen
     Hass, die sich aufbieten lassen.»
    «Traust du dir zu, uns zu verteidigen?», fragte er. «Die Dänen lange genug hinzuhalten, bis wir entschieden haben, was als
     Nächstes zu tun ist?»
    «Ja», sagte ich. Ich hatte keine Ahnung, ob das stimmte, aber ich hatte den Stolz eines Kriegers und gab darum die Antwort
     eines Kriegers. Æthelflaed ließ mich die ganze Zeit nicht aus den Augen. Sie war zwar erst sechs, aber ich schwöre, dass sie
     genau verstand, worüber ihr Vater und ich sprachen.
    «Dann will ich dich damit beauftragen», sagte Alfred. «Ich ernenne dich hier und jetzt zum Verteidiger meiner Familie. Nimmst
     du diese Verantwortung auf dich?»
    Ich war ein überheblicher Rohling. Bin es immer noch. Natürlich versuchte Alfred, mich herauszufordern, und im Unterschied
     zu mir war ihm durchaus klar, was er tat. Ich |242| hielt mich lediglich im Zaum. «Natürlich nehme ich sie auf mich», sagte ich. «Ja.»
    «Ja, und?», fragte er.
    Ich zögerte, doch weil er mir schmeichelte und mir die Verantwortung eines Kriegers übertrug, tat ich ihm den Gefallen, den
     ich ihm bislang verweigert hatte. «Ja, Herr.»
    Er streckte die Hand aus, und mir schwante, dass er mehr wollte. Die gebührende Anrede reichte nicht. Also kniete ich vor
     ihm nieder und ergriff über Æthelflaed hinweg mit beiden Händen seine Hand.
    «Schwöre es», sagte er und legte das Kruzifix, das um seinen Hals hing, auf unsere Hände.
    «Ich schwöre, Euch treu zu dienen», sagte ich und sah dabei in seine hellen Augen, «bis Eure Familie in Sicherheit ist.»
    Er zögerte. Mit der Einschränkung meines Schwurs ließ ich ihn wissen, dass er nicht auf Lebzeit mit mir rechnen konnte. Doch
     er nahm meine Bedingungen an. Es wäre Brauch gewesen, dass er mich auf beide Wangen küsste, doch um Æthelflaed nicht zu stören,
     verzichtete er darauf, hob stattdessen meine rechte Hand, drückte seine Lippen auf meine Fingerknöchel und küsste schließlich
     auch das Kruzifix. «Ich danke dir», sagte er.
    Die Wahrheit war natürlich, dass Alfred am Ende war, doch mit

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