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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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losgeritten, um Asser, den Mönch, auf dessen Reise
     nach Dyflin eine kurze Wegstrecke zu begleiten. «Wir feierten in der Kirche von Soppan Byrg eine Messe», sagte er. «Die Kirche
     ist neu gebaut worden und sehr prächtig. Wir sangen Psalmen, |235| sprachen unsere Gebete und verabschiedeten Bruder Asser, der frohen Mutes weiterwanderte.» Er bekreuzigte sich. «Ich bete
     darum, dass er wohlauf ist.»
    «Ich hoffe, das Lügenmaul ist tot», knurrte ich.
    Alfred überhörte meine abfällige Bemerkung und fuhr mit seiner Geschichte fort. Nach dem Gottesdienst waren alle in das nahegelegene
     Kloster gegangen, um zu essen. Als sie zu Tisch saßen, kamen die Dänen. Die Gruppe um den König konnte fliehen und sich in
     den Wäldern verstecken, während das Kloster niedergebrannt wurde. Danach versuchten sie, nach Osten ins Herzland von Wessex
     zu reiten, mussten aber wie wir immer wieder dänischen Erkundungstrupps ausweichen. Eines Nachts wurden sie auf einem Bauernhof
     von den Dänen überrascht. Sie töteten Alfreds Leibwachen und nahmen alle Pferde mit. Alfred konnte mit seiner Familie und
     den Priestern fliehen, irrte seither ebenso wie wir umher und erreichte schließlich den Sumpf. «Weiß Gott, was nun geschehen
     soll», sagte er.
    «Wir werden kämpfen», sagte ich. Er sah mich einfach nur an. Ich zuckte mit den Schultern. «Wir werden kämpfen», wiederholte
     ich.
    Alfred ließ seinen Blick über die weite Marsch wandern. «Ein Schiff», sagte er so leise, dass ich ihn kaum hörte. «Ich müsste
     irgendwo ein Schiff finden, dass uns ins Frankenland bringt.» Er zog seinen Umhang enger um seinen hageren Körper. Der Schnee
     fiel immer dichter, doch die Flocken schmolzen sofort auf dem dunklen Wasser. Von den Dänen war längst nichts mehr zu sehen,
     der Vorhang aus Schnee hatte sie unsichtbar gemacht. «War das Guthrum?», fragte mich Alfred.
    «Das war Guthrum», antwortete ich. «Wusste er, dass Ihr es wart, den er verfolgt hat?»
    «Vermutlich.»
    |236| «Was hätte ihn auch sonst in diese Gegend verschlagen sollen?», sagte ich. «Er will Euch, tot oder gefangen.»
    Fürs Erste waren wir in Sicherheit. Das Inseldorf bestand aus zwei Dutzend feuchten, rietgedeckten Hütten und einigen Vorratshäusern,
     die auf Stelzen standen. Der ganze Ort war schlammfarben, die Wege waren schlammig, und wie die Ziegen, so waren auch die
     Bewohner schlammverschmiert. Doch so armselig dieser Ort auch war, er bot uns Speise, Unterkunft und ein wenig Wärme. Die
     Männer des Dorfes hatten aus der Ferne die Flüchtlinge gesehen, kurz miteinander beraten und entschieden, ihnen zu helfen.
     Ich hatte den Verdacht, dass sie weniger um unser Leben besorgt waren, als darauf hofften, uns ausrauben zu können. Doch Leofric
     und ich hatten durchaus einschüchternde Wirkung, und als sie erfuhren, dass der König bei ihnen zu Gast war, gaben sie unbeholfen
     ihr Bestes für ihn und seine Familie. Einer fragte in einer Mundart, die kaum zu verstehen war, wie der König heiße. Er hatte
     von Alfred noch nie gehört. Von den Dänen wusste er, doch er berichtete, dass sie bisher weder dieses Dorf noch eine der anderen
     schwer zugänglichen Siedlungen in den Marschen erreicht hatten. Er erzählte uns, dass die Leute im Dorf von Wildbret, Ziegen,
     Fischen, Aalen und Wildvögeln lebten. Es gab also genug zu essen, nur das Brennholz war knapp.
    Ælswith ging mit ihrem dritten Kind schwanger. Ammen kümmerten sich um die beiden anderen. Edward, Alfreds Erbe, war drei
     Jahre alt und krank. Er hustete, und Ælswith sorgte sich, doch Bischof Alewold versicherte ihr, dass er nur erkältet sei.
     Æthelflaed, Edwards ältere Schwester, war sechs Jahre alt. Sie hatte einen Kopf voll goldener Locken, ein gewinnendes Lächeln
     und kluge Augen. Alfred betete sie an, und während der Tage, die wir im Moor verbrachten, |237| war sie sein einziger Trost und Lichtblick. Eines Abends saßen wir an einem kleinen Feuer. Æthelflaed lag schlafend mit dem
     Kopf auf dem Schoß ihres Vaters, und Alfred erkundigte sich nach meinem Sohn.
    «Ich weiß nicht, wo er ist», antwortete ich. Alle anderen schliefen, wir waren unter uns. Ich saß neben der Tür und starrte
     auf das vom Frost weißgefärbte Sumpfland hinaus, das sich schwarz und silbrig unter einem Halbmond ausdehnte.
    «Möchtest du nicht nach ihm suchen?», fragte er.
    «Wollt Ihr das?», fragte ich. Er sah mich verwundert an. «Die Leute hier gewähren Euch Unterkunft», erklärte

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