Der weiße Reiter
jenseits des Flusses. «Wie nennt Ihr diesen Hügel dort?»
Er zuckte mit den Achseln. «Den Hügel», antwortete er, «einfach den Hügel.»
«Er muss zu einer Festung ausgebaut werden», erklärte ich. «Mit Wänden aus Baumstämmen, einem Tor aus Baumstämmen und einem
Turm, von dem sich der Fluss überblicken lässt. Außerdem will ich eine Brücke, die zu der Festung führt und stark genug ist,
um Schiffe aufzuhalten.»
«Ihr wollt Schiffe aufhalten?», fragte Haswold. Er kratzte sich im Schritt und schüttelte den Kopf. «Eine Brücke bauen geht
nicht.»
«Warum nicht?»
«Zu tief.» Womöglich hatte er recht. Zurzeit war Niedrigwasser, und der Pedredan wälzte sich behäbig in seinem Bett zwischen
steilen, schlammigen Ufern. «Aber ich könnte den Fluss absperren», fuhr Haswold fort, ohne seinen Blick von Iseult abzuwenden.
«Dann sperrt den Fluss und baut eine Festung», sagte ich.
«Ich mache beides, wenn Ihr sie mir gebt», versprach Haswold.
«Wenn Ihr das tut, könnt Ihr sie haben und ihre Schwestern und Cousinen dazu. Alle zwölf.»
Um Iseult bespringen zu können, hätte Haswold den ganzen Sumpf trocken gelegt und ein neues Jerusalem gebaut. Allerdings dachte
er nur so weit, wie sein Schwanz reichte. Mir war das recht, und nie sah ich ein Werk so |262| schnell vollendet. Innerhalb von Tagen hatte er den Fluss mit gefällten Bäumen abriegeln lassen, die von Seilen aus gedrehtem
Leder zusammengehalten wurden und mit ihrem Geäst ein undurchdringliches Dickicht bildeten. Eine Schiffsmannschaft könnte
diese Sperre zwar Stück für Stück beseitigen, aber nicht, wenn sie unter dem Beschuss von Speeren und Pfeilen aus der Festung
auf dem Hügel lag, die mit einem Palisadenwall, gefluteten Wassergräben und einem Turm gesichert war. Mochte dieser Turm auch
noch so windschief und die Bauten allesamt mehr schlecht als recht gelungen sein, so waren sie doch wehrhaft genug. Ich machte
mir schon Sorgen, dass die Bauarbeiten beendet sein würden, bevor wir überhaupt genug Kämpfer hatten, um die Festung zu besetzen,
doch die drei Priester machten ihre Sache gut, und immer mehr Soldaten kamen zu uns. Einen Teil von ihnen stellte ich in Æthelingæg
mit dem Auftrag ab, bei der Fertigstellung der Festung mitzuhelfen.
Als alles oder zumindest fast alles getan war, kehrte ich mit Iseult nach Æthelingæg zurück. Diesmal trug sie unter dem kostbaren
Pelz ein Kleid aus Hirschleder. Ich führte sie in die Mitte des Dorfs und sagte Haswold, dass er sie haben könne. Argwöhnisch
wanderten seine Blicke zwischen mir und ihr hin und her. «Sie gehört mir?», fragte er.
«Mit Haut und Haaren», antwortete ich und rückte von ihr ab.
«Und ihre Schwestern?», fragte er gierig, «und ihre Cousinen?»
«Die bringe ich morgen.»
Er winkte Iseult zu sich. «Komm», sagte er.
«In ihrem Land», sagte ich, «ist es Sitte, dass der Mann die Frau zu seinem Bett führt.»
|263| Er starrte wie gebannt Iseults schönes Gesicht mit den dunklen Augen an. Als ich noch weiter von ihr abrückte, stürzte er
mit besitzergreifend ausgestreckten Armen auf sie zu. Doch ehe er sie berühren konnte, hatte sie unter dem dichten Pelz meinen
Wespenstachel hervorgezogen und stieß ihm die Klinge in den Bauch. Sie schrie vor Grauen und Schreck auf, nachdem sie die
Waffe hatte vorschnellen lassen, und ich sah sie zögern, entsetzt darüber, wie viel Kraft es kostete, einem Mann in den Bauch
zu stechen, und auch über ihre Tat. Doch dann biss sie die Zähne zusammen, zerrte die Klinge in Richtung seiner Brust und
schlitzte ihn auf wie einen Karpfen. Er gab einen sonderbar maunzenden Schrei von sich und wich taumelnd vor ihrem hasserfüllten
Blick zurück. Seine Gedärme quollen auf den schlammigen Boden. Mit gezogenem Schwert war ich an Iseults Seite. Sie rang zitternd
nach Luft. Sie hatte es tun wollen, doch ich glaubte nicht, dass sie sich noch einmal dafür entschieden hätte.
Den Dorfbewohnern brüllte ich zu. «Ihr seid aufgefordert worden, für euren König zu kämpfen.» Haswold lag zuckend in seinem
Blut, das seine Otternfelle durchtränkte. Erneut gab er dieses maunzende Geräusch von sich und scharrte mit dreckiger Hand
durch seine Eingeweide. «Für euren König!», wiederholte ich. «Das ist keine Bitte, sondern eine Pflicht! Jeder Mann hier ist
ein Soldat, und wer sich weigern sollte, den dänischen Feind zu bekämpfen, wird gegen mich antreten müssen.»
Iseult stand immer
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