Der weiße Reiter
noch vor Haswold, der wie ein sterbender Fisch auf dem Boden zappelte. Ich drängte sie zur Seite und bohrte
ihm die Spitze von Schlangenhauch durch die Kehle. «Nimm seinen Kopf», sagte Iseult.
«Seinen Kopf?»
«Davon geht ein mächtiger Zauber aus.»
|264| Wir steckten Haswolds Kopf auf einen Pfahl über der Festungsmauer, und zwar so, dass er in die Richtung starrte, aus der die
Dänen kommen würden. Schon bald leisteten ihm acht weitere Köpfe Gesellschaft. Es waren die Köpfe von Haswolds engsten Vertrauten,
getötet von den Dörflern, die froh darüber waren, ihre Schinder endlich los zu sein. Eofer, der Bogenschütze, zählte nicht
dazu. Er war ein einfältiger Kerl, der keinen klaren Gedanken fassen konnte, immer nur grunzte und manchmal auch heulende
Geräusche von sich gab. Er ließ sich von einem Kind führen, doch wenn man ihn aufforderte, seinen Bogen zu gebrauchen, erwies
er sich als trefflicher Schütze von enormer Kraft. Er war Æthelingægs erster Jäger und konnte einen ausgewachsenen Eber auf
hundert Schritt Entfernung niederstrecken, und das bedeutete auch sein Name: Eber.
Ich beauftragte Leofric, die Festung von Æthelingæg zu führen, und kehrte mit Iseult zu Alfred zurück. Sie war schweigsam,
und ich wähnte sie in tiefem Kummer versunken. Doch plötzlich lachte sie auf. «Sieh mal!», sagte sie und zeigte auf das Blut
des toten Mannes, das in Ælswiths Pelz klebte.
Sie hielt immer noch den Wespenstachel in der Hand, mein Kurzschwert, das auch als Saxe bezeichnet wurde und sich besonders
gut für den Kampf in dichtem Schlachtengetümmel eignete, wenn man nicht genügend Platz hatte, um ein langes Schwert oder eine
Axt zu schwingen. Sie tauchte die Klinge ins Wasser und wischte mit dem Saum des Pelzmantels das Blut davon ab. «Es ist schwerer,
als ich dachte», sagte sie, «einen Mann zu töten.»
«Es erfordert Kraft.»
«Aber jetzt habe ich seine Seele.»
«Hast du es deshalb getan?»
|265| «Um Leben geben zu können, musst du es einem anderen nehmen.» Sie reichte mir die Saxe zurück.
Alfred scherte sich den Bart, als wir die kleine Insel erreichten. Er hatte ihn sich wachsen lassen, nicht um sich zu tarnen,
sondern weil er so schwermütig war, dass ihn sein Aussehen nicht kümmerte. Er stand mit nacktem Oberkörper vor einem hölzernen,
mit heißem Wasser gefüllten Trog. Er war erbärmlich abgemagert, sein Bauch eingesunken, doch er hatte sich gewaschen und das
Haar gekämmt und schabte nun mit einer schartigen Klinge, die ihm ein Marschbewohner geborgt hatte, seine Stoppeln ab. Seine
Tochter Æthelflaed hielt ihm ein blankpoliertes Stück Silber vors Gesicht, das ihm als Spiegel diente. «Ich fühle mich sehr
viel wohler», sagte er feierlich.
«Gut, Herr», erwiderte ich. «Auch mir geht es wieder besser.»
«Muss ich daraus schließen, dass du einen Mann getötet hast?»
«Das hat sie», erklärte ich und deutete auf Iseult.
Er musterte sie mit nachdenklicher Miene. «Meine Frau», sagte er und tauchte die Klinge ins Wasser, «fragt sich, ob Iseult
wirklich eine Königin ist.»
«Sie war es», antwortete ich. «Aber ein solcher Titel bedeutet in Cornwalum nicht viel. Sie war Königin über einen Misthaufen.»
«Und ist sie wirklich eine Heidin?»
«Hat Euch Bruder Asser nicht gesagt, dass sie aus einem christlichen Königreich stammt?», fragte ich.
«Er sagte, es wären keine guten Christen.»
«Ich dachte, es sei an Gott, darüber zu urteilen.»
«Gut, Uhtred, gut!» Er wedelte mit der Klinge in meine Richtung, beugte sich dann wieder über den Silberspiegel und schabte
über seine Oberlippe. «Kann sie weissagen?»
|266| «Ja.»
Er kratzte ein paar Momente schweigend weiter. Æthelflaed betrachtete Iseult mit ernster Miene. «Also sag mir», forderte mich
Alfred auf, «meint sie, ich werde wieder König von Wessex?»
«Das werdet Ihr», antwortete Iseult mit flacher Stimme, womit sie mich ebenso überraschte wie Alfred.
Er starrte sie an. «Meine Frau meint, wir sollen uns jetzt, da Edward wieder wohlauf ist, einschiffen, ins Frankenland fahren
und vielleicht nach Rom weiterreisen. Es gibt dort eine sächsische Gemeinde.» Er kratzte mit dem Schabmesser über seinen Kiefer.
«Sie würde uns willkommen heißen.»
«Die Dänen werden unterliegen», sagte Iseult, und ihre Stimme ließ, wenn sie auch ausdruckslos war, keinerlei Zweifel zu.
Alfred rieb sich das Gesicht. «Das Beispiel des Boethius sagt mir, dass
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