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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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nicht hierbleiben», sagte Iseult.
    Ich blieb mit Leofric in der Dunkelheit vor der Hütte stehen. Iseult wollte uns auch nicht durch den Eingang zusehen lassen,
     da nahm ich meinen Helm ab, kroch unter |256| die Traufe und bemühte mich, in der Spiegelung des blanken Helms zu erkennen, was im Innern geschah. Es hatte zu regnen aufgehört,
     und der Mond schien heller.
    Der Junge hustete. Iseult entkleidete ihn, verrieb die Kräuterpaste auf seiner Brust und stimmte ein Lied in ihrer Sprache
     an. Es war ein scheinbar endloser Gesang, rhythmisch traurig und so eintönig, dass ich darüber fast eingeschlafen wäre. Edward
     schrie einmal auf und fing dann wieder zu husten an, und seine Mutter rief aus ihrer Hütte, dass sie ihn zurückhaben wolle.
     Alfred beruhigte sie und kam dann zu uns, und ich winkte ihn zu mir herunter, damit er mir nicht das Mondlicht vor Iseults
     Tür verdeckte.
    Ich spähte auf den Helm und sah die Spiegelung der Flammen und dass auch Iseult ihre Kleider abgelegt hatte. Ohne ihren Gesang
     zu unterbrechen, legte sie den Jungen in eine der Gruben und machte sich daran, ihn durch die Verbindung der beiden Gruben
     zu ziehen. Plötzlich hörte sie zu singen auf und fing zu keuchen an. Sie keuchte, schrie und stöhnte. Alfred bekreuzigte sich.
     Dann war es mit einem Male still, und ich konnte nicht genau erkennen, was in der Hütte vor sich ging. Doch plötzlich schrie
     Iseult laut auf, es war ein Schrei der Erleichterung, als hätte ein großer Schmerz von ihr abgelassen, und unklar sah ich,
     wie sie den nackten Jungen aus der zweiten Grube hob. Sie legte ihn aufs Bett, und er war ganz ruhig, während sie den Durchgang
     zwischen beiden Gruben mit den geschnittenen Dornzweigen verstopfte. Dann legte sie sich neben den Jungen und bedeckte ihn
     und sich mit meinem Umhang.
    Dann herrschte Stille. Ich wartete und wartete, und immer noch war alles still. Und die Stille dehnte sich so lange, bis mir
     endlich klar wurde, dass Iseult eingeschlafen |257| sein musste und dass auch der Junge schlief, es sei denn, er war tot. Ich nahm meinen Helm und ging in Leofrics Hütte. «Soll
     ich ihn holen?», fragte Alfred unruhig.
    «Nein.»
    «Seine Mutter   …», hob er an.
    «Wird bis zum Morgen warten müssen, Herr.»
    «Was soll ich ihr sagen?»
    «Dass ihr Sohn nicht hustet, Herr.»
    Ælswith schrie, Edward müsse tot sein, ließ sich aber schließlich von Eanflæd und Alfred beruhigen. Alles schwieg, wir warteten,
     und irgendwann schlief ich ein.
    Als ich in der Dämmerung erwachte, regnete es, als solle die Welt untergehen. Von der Sæfern-See kommend, ergossen sich graue
     Wassermassen über die Sümpfe. Der Regen durchdrang die Rieddächer und bildete riesige Pfützen und breite Rinnsale im Schlamm.
     Ich ging zur Tür von Leofrics Unterschlupf und sah Ælswith aus dem Eingang ihrer Hütte starren. In tiefer Verzweiflung schien
     sie auf die Nachricht vom Tod ihres Kindes zu warten. Aus Iseults Hütte war immer noch kein Laut zu vernehmen. Ælswith fing
     zu schluchzen an und vergoss die schmerzlichen Tränen einer Mutter, die ihr Kind verloren hat. Plötzlich war ein seltsames
     Geräusch zu hören. Zuerst konnte ich es nicht deuten, weil der prasselnde Regen alles übertönte, doch dann erkannte ich ein
     Lachen. Das Lachen eines Kindes. Einen Herzschlag später rannte Edward, immer noch nackt wie ein Ei und schlammverschmiert
     nach seiner Wiedergeburt aus dem Erdkanal, aus Iseults Hütte und lief zu seiner Mutter.
    «Gütiger Himmel», sagte Leofric.
    Als ich zu Iseult kam, lag sie weinend auf ihrem Lager und war untröstlich. «Ich brauche dich», schimpfte ich mit ihr.
    |258| Sie blickte zu mir auf. «Du brauchst mich?»
    «Zum Bau einer Brücke.»
    Sie runzelte die Stirn. «Du glaubst, eine Brücke ließe sich herbeizaubern?»
    «Diesmal werde ich meine eigene Magie einsetzen», antwortete ich, «aber dazu brauche ich eine Königin, und ich will, dass
     sie stark und gesund ist.»
    Sie nickte. Und Edward gedieh von diesem Tag an prächtig.
     
    Von den Priestern, die aufs Festland geschickt worden waren, kam erste Kunde. Sie wurde von Männern übermittelt, die sich
     allein oder zu zweit durch Wind und Wetter gekämpft hatten, um uns von dänischen Überfällen zu berichten. Als sich das Wetter
     besserte, trafen Gruppen von sechs oder sieben Mann bei uns ein, sodass auf der Insel bald Gedränge herrschte. Ich schickte
     sie auf Erkundungsgänge, forderte sie jedoch auf, den äußersten

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