Der weiße Reiter
Alfred.
«Gut. Wir haben großen Hunger.»
«Nein, ich meinte, hier in der Marsch wäre ausreichend Verpflegung für ein ganzes Heer aufzutreiben», erwiderte er. «Wir können
sie angreifen, Uhtred. Männer zusammenziehen und sie angreifen. Aber das reicht nicht. Ich habe nachgedacht, Uhtred, den ganzen
Tag.» Er machte einen erholten Eindruck, und mir schien, dass er seine Zeit in dieser stinkenden Hütte genutzt hatte, um neue
Pläne zu schmieden. «Ich werde nicht weglaufen», sagte er entschlossen. «Ich gehe nicht ins Frankenland.»
«Gut», sagte ich, obwohl ich so fror, dass ich ihm gar nicht richtig hatte zuhören können.
«Wir bleiben, stellen ein Heer auf und erobern Wessex zurück.»
«Gut», wiederholte ich. Es roch nach Verbranntem. Die Feuerstelle war mit flachen Feldsteinen ummauert. Darauf hatte Elwide
mehrere Fladenbrote aus Hafermehl verteilt, die an den Rändern zum Feuer hin langsam verkohlten. Ich rückte eines weiter nach
außen, doch Alfred gebot mir Einhalt. Er wollte nicht abgelenkt werden. «Die Schwierigkeit dabei ist, dass ich es mir nicht
leisten kann, einen eingegrenzten, kleinen Krieg zu führen.» Mir war schleierhaft, wie er einen anderen als einen kleinen
Krieg führen wolle, doch ich schwieg dazu.
«Je länger wir die Dänen gewähren lassen, desto fester fassen sie Fuß. Meine Untertanen würden sich nach und nach auf Guthrums
Seite schlagen. Das kann ich nicht zulassen.»
«Nein, Herr.»
|278| «Darum müssen wir sie besiegen.» Er sprach mit Ingrimm. «Nicht nur im nächsten Kampf schlagen, sondern ein für alle Mal besiegen.»
Ich dachte an Iseults Traum, sagte aber nichts. Dann erinnerte ich mich, wie oft Alfred mit den Dänen Frieden geschlossen
hatte, statt sie zu bekämpfen, und ich sagte immer noch nichts.
«Im Frühjahr», fuhr er fort, «wird ihre Verstärkung eingetroffen sein, und dann verteilen sie sich in ganz Wessex, bis es
kein Wessex mehr gibt. Also muss zweierlei getan werden.» Das sagte er weniger zu mir, als dass er laut nachdachte. «Erstens»,
er hob einen seiner langen Finger, «müssen wir verhindern, dass sie in kleinen Verbänden ausschwärmen und über Land ziehen.
Sie sollen hier gegen uns antreten. Wir müssen dafür sorgen, dass sie zusammenbleiben, damit sie mit ihren Trupps nicht stückchenweise
das Land besetzen können.» Das ergab durchaus Sinn. Wie allenthalben zu hören war, hatte unter den Dänen in Wessex ein Wettlauf
um Beute begonnen. Ein jeder versuchte, so viel zu ergattern wie möglich. In ein paar Wochen würden sie sich dann ein Anwesen
suchen, um sich dort niederzulassen. Alldem hoffte Alfred zuvorzukommen, indem er die Aufmerksamkeit der Dänen auf die Marschen
lenkte. «Und während sie sich mit uns beschäftigen, muss der Fyrd zusammengetrommelt werden.»
Ich starrte ihn überrascht an. Ich hatte vermutet, dass er in den Sümpfen ausharren wollte, entweder bis uns die Dänen überwältigt
hätten oder bis wir schlagkräftig genug wären, um zuerst eine Grafschaft zurückzugewinnen, dann noch eine und so weiter. Bis
wir Wessex auf diese Art zurückerobert hätten, würden Jahre vergehen, doch seine Vorstellung hatte viel größere Ausmaße. Er
wollte unter den Augen der Dänen eine Armee aufstellen und auf |279| einen Schlag das gesamte Land zurückholen. Es war eine Art Würfelspiel, und er hatte beschlossen, alles auf einen Wurf zu
setzen, so wenig er auch einzusetzen hatte. «Wir zwingen sie zu einer großen Schlacht», sagte er grimmig, «und mit Gottes
Hilfe werden wir sie vernichten.»
Plötzlich erklang ein Schrei: Alfred, als sei er aus süßen Träumen gerissen worden, sah auf. Elwide stand hinter ihm und beklagte
sich lautstark darüber, dass er die Haferbrote hatte anbrennen lassen. «Ich habe Euch doch gesagt, Ihr sollt darauf aufpassen»,
schimpfte sie und schlug in ihrer Wut so heftig mit einem gehäuteten Aal auf den König ein, dass er zur Seite kippte. Die
beiden Soldaten sprangen auf und griffen nach ihren Schwertern, doch ich winkte sie zurück, während Elwide die angekohlten
Fladen von den Herdsteinen einsammelte. «Ich hab Euch gesagt, Ihr sollt aufpassen», schimpfte sie erneut. Alfred lag, wo er
gefallen war, und ich dachte, er würde weinen. Dann aber sah ich, dass er lachte. Er zitterte vor Lachen, er lachte Tränen,
und er war so glücklich, wie ich ihn nie zuvor erlebt hatte.
Denn er hatte einen Plan zur Rettung seines
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