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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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kümmerte sich dann um den quengelnden Josef, dem es gar nicht gefallen hatte, den ganzen Tag nass und frierend auf dem Wagen zu verbringen.
    »Ich habe Hunger«, maulte er.
    »Den haben wir alle!« Anneliese öffnete den Korb mit Lebensmitteln und erlebte eine Enttäuschung, denn der große Brotlaib war total durchweicht.
    »Wenigstens benötigen wir nun nichts mehr zu trinken«, meinte sie sarkastisch, als sie die Stücke verteilte. Dazu gab es für jede eine Scheibe getrockneten Speck, der so zäh war, dass sie ewig kauen mussten, um ihn schlucken zu können.
    »Warum bekommen wir kein warmes Essen? Die dort vorn kochen doch auch«, beschwerte Rachel sich und wies auf einen Wagen, an dem eine Plane gespannt war, um das Feuer vor dem Regen zu schützen.
    Gertrude blickte kurz hin und winkte dann ab. »Ich glaube nicht, dass die Leute dort viel Freude mit ihrem Feuer haben werden. Das nasse Holz qualmt so, als wollten sie Hornissen vertreiben!«
    So leicht ließ Rachel sich nicht überzeugen. »Wir hätten trotzdem ein Feuer entzünden können!«
    »Es hat dich keiner davon abgehalten!«, antwortete Gertrude, der Rachels Gemecker zu viel wurde. Sie wandte ihr den Rücken zu und entdeckte den Ranger, der eben mit einer großen Kanne herankam.
    »Mag jemand Kaffee?«
    »Ja, hier!«, rief Gertrude und winkte, bevor jemand anders reagieren konnte.
    Silas Parker kam heran und füllte die Blechtassen, die ihm entgegengestreckt wurden. Wegen der Kälte trank sogar Nizhoni ein wenig von dem bitteren Gebräu und flößte den Rest Josef ein, damit auch er warm wurde.
    »Verdammt, was ist mit uns?«, brüllte nicht weit von ihnen entfernt Moses Gillings, als der Ranger an ihm vorbeiging.
    Dieser drehte sich achselzuckend zu ihm um. »Die Kanne ist leer!«
    »Warum habt ihr nicht mehr gekocht?«, fragte der Alte bissig.
    »Weil wir nur diese eine Kanne haben. Außerdem hättest du selbst Feuer machen können, aber du sitzt lieber unter deiner Decke und schaust den anderen beim Arbeiten zu.«
    Das wollte Gillings nicht auf sich sitzen lassen, und es entspann sich ein Streit, der zuletzt so ausartete, dass Gisela wach wurde.
    »Was ist los, Mama?«, fragte sie mit kindlicher Stimme und wurde erst dann ihrer Umgebung gewahr. »Wie es aussieht, muss ich eingeschlafen sein.«
    »Hier hast du ein wenig Kaffee! Er wird dich wärmen«, sagte Arlette und reichte ihr die noch zu einem Viertel gefüllte Tasse. Gisela trank sie hastig leer, verzog dann aber den Mund.
    »Einer von Nizhonis Kräutertees wäre mir lieber.«
    »Ich werde sehen, ob ich Holz finde, das brennt«, antwortete die Navajo und wollte trotz der hereinbrechenden Dunkelheit auf die Suche gehen.
    »Bleib hier! Das kannst du morgen auch unterwegs machen. Jetzt sollten wir schlafen!« Gisela klang besorgt, weil sich nicht alle auf den Wagen legen konnten. Die meisten würden sich mit dem nassen, kalten Boden begnügen müssen.
    Das gefiel keiner von ihnen, doch Nizhoni sammelte Gras und dünnes Buschwerk, das als Unterlage dienen konnte. Giselas Bett war bereits auf dem Wagen vorbereitet, und sie stieg, nachdem sie sich hinter einem Gebüsch erleichtert hatte, wieder hinauf und ließ sich Josef reichen. Außer ihr und dem Kind fanden zwei weitere Personen Platz. Nach einem kurzen, aber heftigen Disput setzte Gisela Cécile und Anneliese als Schlafgefährtinnen durch. Der Rest musste unten bleiben. Vor allem Rachel regte sich darüber auf, weil sie als Schwangere das Vorrecht vor Anneliese und dem Mädchen forderte. Doch nicht einmal ihre Schwägerin Marguerite hielt zu ihr, sondern fauchte sie an, endlich Ruhe zu geben.
    Missmutig nahm Rachel sich die Decke, die man ihr untertags gegeben hatte, und legte sich unter den Wagen, so dass sie vor dem Regen geschützt lag. Marguerite und Arlette ergatterten die halbwegs trockenen Plätze neben ihr, während Nizhoni und Gertrude sich in den Regen hinauslegen mussten. Beide kuschelten sich eng aneinander und wurden trotz der Nässe halbwegs warm.
    »Danke«, flüsterte Gertrude Nizhoni ins Ohr. Sie schämte sich nun, dass sie sich von Rachel gegen die junge Indianerin hatte aufhetzen lassen. Ohne Nizhoni wären sie auf diesem Treck allen Unbilden hilflos ausgeliefert gewesen.
    Nizhonis Gedanken galten bereits dem nächsten Tag und dem, was sie tun konnte, um Gisela und der Gruppe das Weiterkommen zu erleichtern.

10.
    A llein auf sich gestellt wären die Frauen wahrscheinlich besser vorwärtsgekommen. So aber stellten sie einen

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