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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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eisige Blick der Indianerin ließ sie jedoch zurückprallen. Immerhin war sie eine Wilde und bewaffnet. Daher wandte Rachel sich schnaubend den anderen zu.
    »Nehmt so viel mit, wie ihr tragen könnt. Den Rest laden wir auf Fleur.«
    »Es ist nicht richtig, was du vorhast«, wandte Gertrude ein.
    »Willst du etwa hierbleiben und warten, bis Santa Anas Soldaten über dich herfallen? Gisela und Josef haben Nizhoni bei sich. Die Wilde weiß schon, wie sie sich in der Prärie verstecken können. Wir hingegen müssen zusehen, dass wir verschwinden!« Rachels Stimme klang so bestimmend, dass Gertrude den Kopf einzog. Einen Augenblick erwog sie dennoch, bei Gisela zu bleiben. Die Angst vor der Wildnis war jedoch stärker, und sie begann, die Sachen zusammenzusuchen, die sie mitnehmen wollten. Da ihr Cécile half, hatten sie Fleur wenig später ein großes Bündel auf den Rücken geschnallt. Bevor irgendjemand etwas sagen konnte, ergriff Rachel die Zügel und führte das Tier grußlos davon.
    Céciles Blick wanderte von ihrer Stute zu Gisela und Nizhoni und wieder zurück. »Es tut mir leid«, flüsterte sie mit zuckenden Lippen, dann rannte sie hinter Rachel her. Nach einem letzten Blick auf Gisela folgten Marguerite und Arlette ihr, während Anneliese und Gertrude unschlüssig dastanden.
    »Kümmere dich um sie und um den Jungen«, bat Anneliese Nizhoni und stapfte ebenfalls weiter. Vielleicht wäre sie geblieben, doch der Tod ihres jüngeren Sohnes bei Alamo drückte sie ebenso nieder wie die Angst um ihren Mann und ihren Ältesten, der sich Houstons Armee angeschlossen hatte. Nachricht von ihnen konnte sie jedoch nur dann erhalten, wenn sie bei den anderen Flüchtlingen blieb.
    Gertrude musterte Gisela noch einmal, schüttelte dann aber den Kopf, als wollte sie sagen, dass der Schwangeren wohl nicht mehr zu helfen war, und setzte sich in Bewegung. Nach ein paar Schritten wandte sie sich mit sichtbar schlechtem Gewissen um und sah Gisela und Nizhoni bittend an. »Ihr müsst mich verstehen! Ich habe Charlotte versprochen, mich um ihre Tochter zu kümmern.«
    Das klang selbst in ihren Ohren wie eine schlechte Ausrede, und sie schämte sich dafür. Nizhoni gönnte den scheidenden Gefährtinnen nur einen kurzen Blick, dann hob sie Josef vom Wagen. »Du bleibst in meiner Nähe! Verstanden?«
    »Ja!« Der Junge war viel zu verängstigt, um auf eigene Faust loszulaufen. Er sah zu, wie Nizhoni seiner Mutter vom Wagen half und sie auf eine Decke bettete. Giselas Augen waren geschlossen, ihr Mund bewegte sich jedoch, als würde sie Worte formen. Aber es kam kein Laut über ihre Lippen.
    Für die anderen mochte es so aussehen, als hätten sie Nizhoni mit ihren beiden Schutzbefohlenen hilflos in der Wildnis zurückgelassen. Doch im Grunde war die junge Navajo erleichtert, nun allein ihrem Wissen und ihren Erfahrungen folgen zu können. Zuerst sah sie nach, ob von den Vorräten noch etwas vorhanden war. Doch Rachel hatte alles mitgenommen. Sie besaß ihre Flinte und die von Gisela, die modernere Doppelpistole und ihre Großvaterpistole mit reichlich Schießbedarf. Diese Waffen wollte sie jedoch nur im Notfall für die Jagd verwenden, denn der Knall der Schüsse konnte sie an Feinde verraten.
    Da die Gefahr bestand, dass die mexikanische Armee die Flüchtlinge verfolgte, galt es, so rasch wie möglich von diesem Ort wegzukommen. Zu diesem Zweck fällte Nizhoni zwei junge Bäume, entastete sie und band sie mit einer kürzeren Querstange zu einer einfachen Stangenschleife zusammen, die ihre Stute ziehen konnte. Sie befestigte noch eine Decke an den Stangen, und dann konnte sie Gisela auf dieses Travois legen. Josef setzte sie auf den Rücken der Stute und schritt mit beiden Pistolen im Gürtel und den Flinten über der Schulter los.
    Zuerst überlegte sie, ob sie nicht doch dem Flüchtlingszug folgen sollte, sagte sich aber, dass sie von diesen Menschen keine Hilfe zu erwarten hatte. Daher bog sie fast im rechten Winkel von der Straße ab und führte die Stute in die offene Prärie hinein.
    Unterwegs sammelte sie alles, was ihr essbar erschien, gleichgültig, ob es Pekannüsse vom letzten Jahr, Beeren oder die ersten Frühlingskräuter waren. Auch konnte sie zwei Schlangen mit einem Stock erlegen. Es war zwar nicht viel, aber daraus würde sie am Abend eine nahrhafte Suppe zubereiten. Als sie lagerten, verwendete sie ihre zum Beutel geformte Lederdecke als Suppentopf. Diesen füllte sie mit Wasser und erhitzte es mit im Lagerfeuer

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