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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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wieder in diesen Kasten aus Holz gelegt wurde. Sie streckte die Hand aus und strich ihm über den Kopf. Du bist zwar nicht mein Sohn, dachte sie, aber du brauchst mich. Und ich brauche dich, wenn mein Herz je wieder Freude empfinden soll.
    Nun, da sie das Kind gestillt hatte, merkte Nizhoni, wie hungrig sie war. Sie sagte es den drei Frauen zuerst in ihrer eigenen Sprache und dann in der der Komantschen. Da die anderen sie jedoch nur verständnislos ansahen, deutete sie ihnen mit Gesten an, dass sie etwas essen wollte.
    »Ah, sie hat Hunger!«, rief Rosita aus und holte ein paar Tortillas, die sie auf Vorrat gebacken hatte. Bevor sie diese füllen konnte, packte die Indianerin die Teigfladen und schlang sie heißhungrig hinunter.
    »Wie es aussieht, hat Monsieur Walther auf dem Weg keine Pause gemacht, um etwas zu essen«, meinte Arlette.
    Gisela nickte nachdenklich. »Er wollte so schnell wie möglich zurückkommen und hat dabei weder sich noch die Indianerin geschont. Wie heißt du eigentlich?«
    Das Letzte galt Nizhoni, die sie aber nur aus großen Augen ansah.
    »Wie es aussieht, kann sie nur ihre Stammessprache. Du wirst ihr wohl beibringen müssen, wie ein richtiger Mensch zu sprechen«, spottete Rosita und goss Nizhoni noch einen Becher Kaffee ein, den diese aber nach einem ersten Schluck mit einer Geste des Abscheus wegstellte.
    Da Gisela den Namen der Indianerin wissen wollte, um sie damit ansprechen zu können, deutete sie jetzt auf sich. »Ich heiße Gisela, das ist Rosita und das Arlette!« Sie wiederholte die Namen noch einmal allein und deutete dabei jeweils auf sich und die beiden anderen.
    Jetzt begriff Nizhoni, was die Frau von Fahles Haar meinte. Sie zeigte auf diese und sprach den ungewohnten Namen aus. »Gi’se’la!«
    Gisela nickte. »So ist es gut. Und wie heißt du?«
    »Nizhoni!«
    »Ein hübscher Name«, antwortete Gisela und lächelte. Dann wanderte ihr Finger weiter zu dem Kind in der Wiege. »Das ist Josef. Josef! Verstehst du?«
    »Jo’sef!«, wiederholte Nizhoni, und zum ersten Mal stahl sich der Anflug eines Lächelns auf ihr Gesicht.

5.
    A rlette blieb noch einen Tag auf der Farm, dann kehrte sie zu ihrem Mann zurück. Es tat Gisela leid, sie scheiden zu sehen, denn die Französin war von fröhlichem Gemüt und hatte sie immer wieder aufgemuntert und aus ihrer Trübsal gerissen. Dies konnte Rosita nicht, obwohl sie die bessere Hausfrau war und sich alle Mühe gab, ihr noch einiges beizubringen. Nizhoni hatte sich in erster Linie um den kleinen Josef zu kümmern, wurde aber von Rosita auch Wasser oder Holz holen geschickt.
    Zu aller Zufriedenheit gehorchte die junge Indianerin anstandslos. Trotzdem hätte Gisela sich gewünscht, mit ihr allein zu sein, um sie die spanische Sprache zu lehren. Rosita war viel zu ungeduldig und schalt Nizhoni, wenn diese etwas nicht auf Anhieb verstand.
    »Die Wilde ist so dumm, wie man es ihrem Volk nachsagt«, erklärte sie einige Tage später beim Abendessen. Der Grund dafür war, dass Nizhoni sich nicht an einen Stuhl gewöhnen wollte, sondern in einer Ecke des Hauses auf einer Decke kauerte und dort missmutig in dem Eintopf herumstocherte, der ihr viel zu scharf war.
    Walther hatte sich längst wieder erholt und arbeitete mit Pepe zusammen auf der Farm. Um Nizhoni kümmerte er sich nicht, denn seiner Meinung nach war dies die Aufgabe seiner Frau. Im Gegensatz zu ihm starrte Pepe die junge Indianerin hie und da verdrießlich an. Der Knecht wusste nicht, was er von ihr halten sollte. Zwar war er froh, dass der Junge mit ihr eine Amme hatte, dennoch misstraute er der Wilden und warnte Walther, sie würde irgendwann einmal in der Nacht alle ermorden und mit ihren Skalps zu ihrem Stamm zurückkehren. Da sein Herr sich nicht um diese Warnung scherte, verschloss er die Tür des Anbaus, in dem er schlief, jede Nacht mit einem festen Riegel.
    Als er Rositas Bemerkung hörte, nickte er zustimmend. »Sie ist wirklich dumm!«
    »Wie könnt ihr nur so reden?«, schalt Gisela die beiden. »Nizhoni betreut Josef, als wäre er ihr eigenes Kind, und hilft auch noch im Haushalt mit. Eine Amme in Deutschland würde das nicht tun. Die würde gutes Essen verlangen und den ganzen Tag faul sein, um ihre Milch nicht zu verlieren. Das sagst du doch auch, Walther?«
    »Was wolltest du wissen?« Walthers Gedanken waren nach San Felipe de Guzmán gewandert und zu den Siedlern, die er dort abholen sollte.
    »Ich schimpfe mit Rosita und Pepe, weil sie Nizhoni dumm heißen.

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