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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Dabei ist nur unsere Art zu leben für sie ungewohnt. Wir würden uns auch nicht auf Anhieb in einem Indianerlager zurechtfinden.«
    »Gott bewahre mich davor!« Rosita schlug das Kreuz, denn auf ihren Raubzügen entführten die Komantschen Frauen und Kinder, die sie entweder zwangen, sich ihrem Stamm anzuschließen, oder als Sklaven an andere Stämme verkauften.
    Walther sah kurz zu Nizhoni hinüber und bemerkte, wie die Indianerin unter seinem Blick förmlich schrumpfte. Unwillkürlich ärgerte er sich darüber. »Sie soll Josef nähren und kleine Arbeiten erledigen. Wenn sie zu viel tun muss, kommt sie vielleicht von der Milch.«
    Damit war für ihn alles gesagt, und er wandte sich wieder seinem Teller zu. An diesem Tag kostete es ihn besonders viel Überwindung, alles aufzuessen, denn Rosita hatte sich beim Abmessen des Chilis noch weniger zurückgehalten als sonst.
    Sein Kampf mit dem brennenden Gaumen fiel auch Nizhoni auf. Wie es aussieht, schmeckt es auch Fahles Haar nicht, dachte sie, und sie fragte sich, weshalb er die ältere der beiden Frauen so kochen ließ. Ein Nemene hätte die Frau schon längst zurechtgewiesen. Irgendwie waren Fahles Haar und sein Weib eigenartige Leute. Dann aber zuckte sie mit den Achseln. Was ging sie das an? Sie war in diesem Lager nicht mehr wert als ein Pferd, das Fahles Haar gekauft hatte. Ihre Milch gehörte einem fremden Kind, ihr Leben fremden Menschen, und ihr blieben nur die Träume von einer Zeit, in der sie glücklich gewesen war.
    Sie hatten noch nicht fertig gegessen, als draußen Hufschläge erklangen. Walther griff zu der Pistole, die ihm als einzige Schusswaffe geblieben war, und eilte zum Fenster. Als er hinaussah, atmete er auf.
    »Es ist Ihr Mann, Señora Jemelin! Wie es aussieht, ist er aus San Felipe de Guzmán zurückgekommen.«
    Rosita nahm die Nachricht zum Anlass, die Reste im Kochkessel in eine Schale zu tun, damit ihr Mann auch etwas essen konnte. Außerdem legte sie Holz nach, um ein paar Tortillas zu backen, falls sein Hunger größer sein sollte.
    Unterdessen trat Walther hinaus und begrüßte seinen Nachbarn. »Willkommen, Señor Jemelin. Was gibt es Neues von Don Hernando oder Don Ramón?«
    »
Buenas noches,
Señor Waltero!«, antwortete Diego Jemelin munter. »Ich soll Ihnen Grüße von beiden ausrichten. Das erste Schiff mit den neuen Einwanderern ist am letzten Tag, an dem ich in San Felipe de Guzmán war, in den Hafen eingelaufen. Don Ramón de Gamuzana fordert Sie auf, in die Stadt zu kommen und sich der Leute anzunehmen. Er hofft, dass auch das zweite Schiff bald eintreffen wird und Sie die Siedler hierherbringen können. Außerdem will er Sie kennenlernen!«
    »Ich freue mich darauf!« Bis jetzt kannte Walther nur Hernando de Gamuzana, den älteren Bruder des Empresarios ihres Siedlungsgebiets, und war nun auf ihn selbst gespannt.
    »Wann soll ich aufbrechen?«
    »Am besten bereits morgen früh. Don Ramón hat es eilig, weil er bald wieder nach Saltillo reiten will, um mit seinem Schwager, dem Gouverneur, zu sprechen.«
    Diese Auskunft gefiel Walther wenig, hieß dies doch, seine Frau mit der Indianerin zurücklassen zu müssen. Auf Pepe konnte er sich nicht verlassen, denn der würde sich im Notfall hinter Gisela verstecken. Außerdem gab es ein Problem.
    »Ich würde ja gerne aufbrechen, doch ich habe meine Büchse verloren. Wenn ich jetzt die Pistole mitnehme, ist keine Schusswaffe mehr im Haus, falls Indios es überfallen wollen. Lasse ich sie aber hier, habe ich nur mein Messer für diesen Ritt!«
    Jemelin winkte ab. »Keine Sorge, Señor Waltero. Ich habe eine Flinte für Sie übrig!«
    »Danke!« Zwar gefiel es Walther nicht, so von Jemelin abhängig zu sein, doch er sah keine andere Lösung.
    Unterdessen trat Jemelin ins Haus, umarmte seine Frau und entdeckte dann Nizhoni mit dem Kleinen auf dem Schoß. »Meinen Glückwunsch, Señor Waltero. Was ist es, eine Muchacha oder ein Sohn?«
    »Ein Junge«, antwortete Walther.
    »Ein Prachtkerl!« Jemelin grinste und wies auf Nizhoni. »Eine Indiomagd haben Sie auch schon. Sehr gut! Da wird meine Rosita ja nicht länger gebraucht, und wir können morgen in aller Frühe losreiten. Meine Frau hat dann genug männlichen Schutz auf dem Heimweg.«
    Walther nickte zaghaft. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn Rosita bis zu seiner Rückkehr bei Gisela geblieben wäre. Er fragte sich, wie sie mit der Indianerin zurechtkommen würde. Immerhin konnte er diese nicht mit zivilisierten Maßstäben messen.

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