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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Mensch wie du und ich mit einem Kopf, einem Rumpf, zwei Armen und zwei Beinen – und kein Ungeheuer, das Menschen frisst!«
    »Sie ist eine Komantschin«, antwortete der Peon. »Komantschen fallen wie der Sturmwind über einen her und massakrieren einen.«
    Jetzt wurde Gisela zornig. »Ich will nichts mehr davon hören, verstanden? Sieh zu, dass du deine Arbeit erledigst!«
    »Si, Señora!« Pepe verschwand gekränkt nach draußen und brummelte dort vor sich hin, dass die Herrin schon sehen werde, wo ihre Arglosigkeit hinführe.
    Zwar bemerkte Nizhoni die schlechte Laune des Mannes, achtete aber nicht darauf, sondern kümmerte sich um den Jungen. Als Nizhoni Josef jetzt aus der Wiege hob, fand sie, dass er bereits ein wenig gewachsen war. Das hatte er ihrer Milch zu verdanken, und in dieser Hinsicht war sie zufrieden. Es erleichterte sie auch, dass Fahles Haar sein Lager verlassen hatte und den Gesten und wenigen Worten ihrer Herrin zufolge, die sie bisher verstand, wohl auch nicht so rasch zurückkommen würde. So schnell würde sie ihm nicht vergessen, dass er sie auf dem Ritt hierher wie eine Stute an die Leine gelegt hatte.
    Die Frau von Fahles Haar war da ganz anders. Sie lächelte und sprach mit sanfter Stimme. Vor allem aber freute sie sich, dass ihr Sohn ausreichend zu trinken hatte. Nizhoni sah jedoch auch, dass Gisela sich bei der Arbeit schwertat, und half ihr mit immer mehr Handreichungen.
    Dafür erhielt sie ausreichend zu essen, und seit die andere Frau fort war, brannte auch nicht mehr jeder Bissen im Mund. Am meisten freute Nizhoni sich, wenn Gisela ihr Worte in ihrer Sprache beizubringen versuchte. So einfach war es nicht, da es meist zwei Begriffe für ein und dasselbe Ding gab. So hießen die flachen Fladen, die sie sehr oft zum Essen buk, sowohl »Pfannkuchen« wie auch »Tortillas«. Ebenso war es bei »Messer« und »Cuchillo« sowie »Pferd« und »Caballo«. Erst nach einigen Tagen begriff Nizhoni, dass es sich um Ausdrücke verschiedener Sprachen handelte, die so unterschiedlich waren wie die ihres Volkes und der Komantschen.
    Gelegentlich dachte sie an ihre Heimat und wünschte, einfach auf ein Pferd steigen und so lange reiten zu können, bis sie wieder zu Hause war. Doch das war unmöglich. Zwischen diesem Ort und jenem lagen unzählige Tagesritte und vor allem das Jagdgebiet der Komantschen, und denen wollte sie nicht noch einmal in die Hände fallen. Es war angenehmer, Gisela zu gehorchen, als von To’sa-woonit geschlagen zu werden.
    Nizhoni tat daher alles, damit es dem Kind gutging, denn dann war auch Gisela zufrieden. Als sie gerade neu wickelte, nahm diese ihr das Kind ab und drückte es an sich. Dabei flossen Tränen aus ihren Augen.
    »Du haben was?« Diese Worte hatte Nizhoni bereits gelernt, vermochte aber noch nicht, sie in der richtigen Reihenfolge auszusprechen.
    »Ach, nichts!«, antwortete Gisela ausweichend.
    Sie liebte ihr Kind und wäre gerne sicher gewesen, dass es auch von Walther stammte. Doch außer der Tatsache, dass es bei der Geburt recht groß gewesen war und mehr als zwei Wochen vor den neun Monaten nach ihrer Vergewaltigung geboren worden war, hatte sie keinen Beweis dafür. Mit einem gezwungenen Lächeln reichte sie Josef zurück und sah zu, wie die Indianerin dem Jungen Windeln aus Gras und Moos anlegte. Dabei ging Nizhoni so umsichtig vor, als wäre es ihr eigenes Kind.
    »Ich bin froh, dass Walther dich mitgebracht hat«, sagte sie unwillkürlich.
    Einen ganzen Satz verstand Nizhoni noch nicht, begriff aber, dass es um Fahles Haar und sie ging. Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. Gisela mochte zwar lieb sein, aber vor dem Mann hatte sie Angst. Was würde er mit ihr tun, wenn das Kind sie nicht mehr brauchte? Brachte er sie dann zu den Komantschen zurück oder verkaufte er sie an weiße Männer, die, wie sie gehört hatte, ihre Sklaven auf den Feldern mit Peitschen zur Arbeit antrieben?
    Gisela bemerkte den Stimmungsumschwung der Amme und wusste nicht so recht, wie sie sich dazu stellen sollte. Gewiss fiel es Nizhoni schwer, fern von ihren eigenen Leuten zu leben. Daher erschien es ihr am besten, wenn Walther die junge Frau wieder zu den Komantschen brachte, sobald Josef ihre Milch nicht mehr brauchte.

8.
    W alther ritt so rasch nach Süden, wie er es dem zähen, ausdauernden Mustang zumuten konnte. Mit diesem Tier kam er besser zurecht als mit dem Hengst, den Hernando de Gamuzana ihm geschenkt hatte und der nun mit den Gäulen der Komantschen

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