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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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zusammen irgendwo in der Prärie weidete. Gelegentlich sah er unterwegs andere Reiter, und einmal übernachtete er sogar auf einer kleinen Hacienda, die früher einmal zu einer mittlerweile aufgegebenen Missionsstation gehört hatte. Zumeist aber musste er unter freiem Himmel schlafen, mit den Sternen als Zudecke und dem Rauschen des Windes in den Büschen als Schlaflied.
    Dabei stellte er fest, dass er sich zum ersten Mal in seinem Leben richtig frei fühlte. In diesem Land galt nur der Mensch und nicht der Stand, wie es zu Hause der Fall war. Bei dem Gedanken lachte er leise auf. Dies hier war jetzt sein Zuhause. Das Land, in dem er geboren war, lag weit jenseits des Ozeans, und er würde es niemals wiedersehen. Es tat ihm nicht einmal leid, auch wenn er Freunde hatte zurücklassen müssen. Doch dort war auch die Heimat eines Diebold von Renitz und dessen Mutter, die nur ihresgleichen gelten ließen und Menschen in weniger glücklichen Umständen kaum besser als Vieh behandelten.
    Walther wusste selbst, dass Tejas und auch ganz Mexiko keine Insel der Seligen darstellten. Hier war der Unterschied zwischen einem reichen Mann wie Hernando de Gamuzana und einem Tagelöhner gewaltig. Doch dieses Land bot ihm und Gisela die Möglichkeit, aus eigener Kraft aufzusteigen, und hier würden sie niemals vor einem Grafen Renitz oder einer Frau von Techan den Rücken krümmen müssen.
    Zufrieden damit, wie es gekommen war, erreichte Walther schließlich San Felipe de Guzmán und ritt in den Ort ein. Seit er das letzte Mal in der kleinen Stadt gewesen war, hatte sich nichts verändert. Noch immer beherrschten der Amtssitz des Alcalden und die Kirche das kleine Städtchen. Die Häuser und Werkstätten der Handwerker und die einfachen Hütten der Lohnarbeiter und Tagelöhner gliederten sich in respektvollem Abstand um den Marktplatz und die beiden großen Gebäude.
    Etwas außerhalb von San Felipe de Guzmán entdeckte Walther ein Lager mit etlichen Zelten, ein paar großen Wagen, einigen Karren und an der Leine hängender Wäsche. Hier herrschte das Leben, das er in San Felipe de Guzmán ein wenig vermisste.
    Bei den Menschen im Lager schien es sich um die Neusiedler zu handeln, um die er sich kümmern musste. Es waren weitaus mehr als die Überlebenden der
Loire,
und er hoffte, dass er unter ihnen jemanden finden würde, der bereit war, eine Fähre über den Fluss einzurichten. Der Gedanke erinnerte ihn an Spencer und dessen Leute. Mehr denn je war er der Meinung, richtig gehandelt zu haben, als er sie vertrieb. Auch wenn die Nordamerikaner das anscheinend glaubten, war dies hier kein gesetzloses Land, das sie sich einfach nehmen konnten, sondern eine Provinz der Republik Mexiko und damit deren Verwaltung unterworfen.
    Vor dem Sitz des Alcalden stieg Walther vom Pferd, reichte einem Jungen, der blitzschnell auf ihn zuschoss, die Zügel, und trat zur Tür. Als er öffnete, blickte ein älterer Mann aus einer der Kammern heraus. Es war einer von Don Hernandos Schreibern.
    Dieser erkannte ihn zuerst nicht, doch dann weiteten sich seine Augen. »Señor Waltero! So früh haben wir Sie nicht erwartet.«
    »Ich bin gut durchgekommen und weder einer Giftschlange noch einem Indianer begegnet«, antwortete Walther lachend. »Doch wo finde ich Don Hernando und Don Ramón?«
    »Da müssen Sie zur Hacienda reiten, Señor. Die beiden Herren kommen heute nicht mehr in die Stadt. Heute hat Señorita Mercedes Geburtstag, müssen Sie wissen. Da findet eine große Feier statt.«
    »Für ein Fest bin ich nicht gerade angezogen, und ich habe auch keine Ersatzkleidung bei mir!« Walther überlegte bereits, in der Stadt zu bleiben und sich die neuen Siedler anzusehen. Dann aber sagte er sich, dass Hernando de Gamuzana und dessen Tochter es als Brüskierung auffassen könnten, wenn er sich nicht in die Schar der Gratulanten einreihte. Mit dieser Überlegung verabschiedete er sich von dem Schreiber. Draußen reichte er dem Jungen ein paar Centavos, weil dieser auf seinen Mustang aufgepasst hatte, und stieg wieder in den Sattel.
    Als er losritt, lief der Junge ganz aufgeregt neben ihm her. »Señor, ist das ein echtes Indiopferd?«
    Walther nickte. »Das ist es.«
    »Haben Sie den Indio, dem es gehörte, erschossen?«, fragte der Junge weiter.
    Diesmal schüttelte Walther den Kopf. »Nein, ich habe es für ein paar Decken und ein Messer eingetauscht.«
    »Schade!«, entfuhr es dem Jungen.
    »Warum schade?«
    »Weil es dann einen Indio weniger auf der Welt

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