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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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auf sein Pferd. Auch wenn er an diesem Tag nur noch ein paar Meilen zurücklegen konnte, so wollte er diese Zeit doch nützen, um so rasch wie möglich zu Jemelin zu gelangen.

10.
    J emelins Hacienda wirkte ebenfalls so, als erwarte man dort jeden Augenblick einen Angriff. Die Vaqueros und Peones trugen Waffen, und der Zaun um das Anwesen war verstärkt worden. Es gab nur noch einen Zugang, und dieser wurde bewacht. Bei Walthers Anblick senkte der Posten seine Flinte und schwenkte mit einer Hand seinen Hut.
    »Es ist Señor Waltero!«, rief er mit lauter Stimme zum Wohnhaus hinüber. Dort erschien Diego Jemelin und kam sichtlich erleichtert auf Walther zu.
    »Willkommen, mein Freund! Ich freue mich, Sie gesund wiederzusehen!«
    Jemelin hat wohl befürchtet, ich könnte verhaftet worden sein, fuhr es Walther durch den Kopf, während er sich aus dem Sattel schwang. »Ich freue mich auch, Sie zu sehen, Señor Jemelin, und hoffe, bei Ihnen ist alles wohlauf.«
    »Das ist es«, antwortete Jemelin und reichte ihm die Hand. »Ich habe gehört, was passiert ist. Dieser verdammte Offizier! Der hat seinen Rang wohl auch nur deswegen bekommen, weil seine Schwester mit General Santa Ana ins Bett gestiegen ist.«
    Ein Freund Santa Anas war Jemelin ebenfalls nicht, registrierte Walther zufrieden. Er folgte dem Haciendero ins Haus und sah, dass Rosita bereits Chilitortillas rollte. Nachdem er ein Glas Tequila geleert hatte, sah er Jemelin durchdringend an.
    »Ich habe mit Don Hernando gesprochen, und er hat mich für die Verluste durch Capitán Velasquez entschädigt.«
    »Don Hernando ist ein gerechter Mann«, antwortete Jemelin erleichtert.
    »Das ist er! Doch hätte so etwas niemals passieren dürfen. Wenn Offiziere sich in Räuberhauptleute verwandeln, ist es ein schlechtes Zeichen für das Land.«
    »Velasquez hätte sich vorher informieren sollen, wen er heimsucht«, begann Jemelin, winkte dann aber selbst ab. »Nein, er hätte es unter keinen Umständen dürfen! Wenn er Pferde und Proviant braucht, hätte er fragen und vor allem dafür bezahlen müssen. Doch so hat er sich, wie ich als Mexicano beschämt zugeben muss, wie ein Bandit benommen.«
    Walther berichtete nun genau, wie der Überfall abgelaufen war, und fand in Jemelin einen aufmerksamen Zuhörer.
    »Sie sollten diese Begebenheit nicht auf die leichte Schulter nehmen, Señor Waltero«, erklärte Jemelin, als er geendet hatte. »So, wie Sie mir Velasquez schildern, ist er ein sehr von sich eingenommener Mann. Er wird es Ihnen nicht verzeihen, dass Sie ihn auf eine so beschämende Weise vertrieben haben. Hüten Sie sich vor ihm! Ich bin sicher, er wird wiederkommen.«
    »Dann wird er von Kugeln empfangen«, erklärte Walther grimmig.
    Jemelin nickte bedrückt. »Es tut mir leid, dass es so gekommen ist. Aber schuld daran sind die Americanos, die in immer größerer Zahl in unser Land eindringen und ohne jede Erlaubnis Siedlungen errichten. Sie sind nicht bereit, unsere Gesetze anzuerkennen oder unsere Regierung, sondern wollen Tejas zu einem Bundesstaat der Vereinigten Staaten machen. Das kann Mexiko nicht dulden.«
    »Muss Mexiko deswegen mit Gewalt gegen jene vorgehen, die seine Gesetze achten?« Walther klang scharf und brachte Jemelin dazu, beschämt den Kopf zu senken.
    »Das ist ein schlimmer Fehler, denn er zwingt vernünftige Leute wie Sie, sich auf die Seite der Empörer zu schlagen. Mexiko macht sich dadurch immer mehr Feinde und zieht möglicherweise auch die Vereinigten Staaten in einen Krieg hinein. Aber vielleicht sehen wir auch zu schwarz! Männer wie Don Hernando werden gewiss ihren Einfluss auf die Regierung geltend machen, so dass eingetragene Siedler gleich welcher Herkunft in Tejas bleiben und nur die wilden Siedler vertrieben werden.«
    Dazu ist es bereits zu spät, dachte Walther. Die einzelnen Siedlergruppen hatten sich mittlerweile verbündet und würden mehr auf ihre Waffen als auf irgendwelche Versprechungen der mexikanischen Regierung vertrauen. Er behielt diese Einschätzung jedoch für sich, um Jemelins Hoffnung nicht zu zerstören. Stattdessen stellte er die Frage, die ihn seit dem Überfall durch Velasquez’ Dragoner umtrieb.
    »Was werden Sie tun, wenn es zum Äußersten kommt, Señor Jemelin?«
    Sein Gegenüber blickte ihn nachdenklich an. »Ich anerkenne Ihr Recht und das der anderen Siedler auf das Land, das Sie alle vom mexikanischen Staat erhalten haben, aber ich bin Mexikaner und kann nicht gegen mein Heimatland kämpfen. Das

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