Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
die anderen. »Wir werden miteinander reden müssen. Es gibt Entwicklungen, die auch uns betreffen.«
»Du meinst den sogenannten Napoleon des Westens?« Thierry spie aus. »Welch eine Anmaßung, sich mit einem Genie wie dem Kaiser der Franzosen zu vergleichen! Um einen Napoleon Bonaparte niederzuringen, brauchte es die ganze Welt. Für einen Santa Ana werden wir Texaner genügen.«
»Hoffen wir es!« Walther klopfte ihm auf die Schulter und wollte ins Haus treten. Da sprang die Tür auf, und Gisela eilte heraus.
»Dass du nur wieder da bist!«, rief sie unter Tränen und fiel ihm um den Hals.
»Mein Schatz!« Walther hielt Gisela fest in den Armen und zwang sich ein Lächeln auf. »Don Hernando hat mir beigestanden und dafür gesorgt, dass ich entschädigt worden bin.«
Die genauen Umstände verschwieg er ihr, ebenso die Gespräche mit Stephen Austin und seine Sorgen wegen eines möglicherweise aufdämmernden Krieges. Mit Thierry und den anderen Männern würde er jedoch darüber reden müssen.
Bevor es dazu kam, traten zwei weitere Personen aus dem Haus. Die eine war Gertrude, die mit ihnen über das Meer in dieses Land gekommen war. Bei ihr war ein hochgewachsener Mann mit schlaksigen Gliedern und einem prachtvollen Schnauzbart. Bekleidet war er mit einem langen, blauen Rock und etwas helleren Hosen.
»Sie sind Fichtner?«, fragte dieser verblüfft. »Nach allem, was ich von Ihnen gehört habe, habe ich Sie mir älter vorgestellt.«
»Das ist mein Ehemann Jakob«, stellte Gertrude ihn Walther vor. »Er ist extra aus New Orleans gekommen, um uns gegen diesen bösen mexikanischen General beizustehen, der uns vertreiben will.«
»Ich bin Captain James Shuddle«, stellte Schüdle sich vor. Er hatte seinen Namen vollkommen amerikanisiert und sprach seinen Vornamen so aus, dass Walther nachdenken musste, um ihn zu verstehen.
»Der Gouverneur selbst schickt mich, um dem tapferen Volk von Texas zu verkünden, dass ganz Louisiana auf seiner Seite steht«, fuhr Schüdle fort. »Wir werden unsere Landsleute in Texas nicht im Stich lassen.«
Walther nickte, fragte sich aber insgeheim, wieso es Gertrudes Ehemann nicht eher eingefallen war, hierherzukommen. Immerhin hatte die Frau ihm bereits kurz nach ihrer Ankunft in Texas geschrieben, und der Brief hatte selbst im schlechtesten Fall nicht länger als drei Monate bis nach New Orleans gebraucht. Mittlerweile aber waren fast sechs Jahre vergangen. Er verbiss sich eine entsprechende Bemerkung, sondern kam auf das Thema zu sprechen, das ihm weitaus wichtiger erschien. »Die Vereinigten Staaten unterstützen also unseren Kampf um unsere Rechte?«
»Selbstverständlich ist jeder aufrechte Amerikaner mit dem Herzen bei euch!«, erklärte Shuddle mit einer ausholenden Geste.
»Wann können wir die ersten amerikanischen Soldaten erwarten?«, fragte Walther weiter.
Da begann Shuddle, sich um klare Antworten herumzuwinden. »Nun ja, Soldaten kann die Regierung der Vereinigten Staaten jetzt noch nicht schicken, sonst schlagen sich andere Mächte auf die Seite Mexikos. Aber in Louisiana stellen wir Freiwilligenregimenter auf und rüsten sie aus. Auch werden wir euch Texaner mit Waffen und Proviant unterstützen!«
Während der Mann weitersprach, zeigten Thierry und die anderen zunehmend erleichterte Mienen, während Walther in Gedanken die Hälfte dessen wegstrich, was Gertrudes Ehemann erzählte. Er kam schließlich auf ein paar hundert Freiwillige, die auf ihrer Seite kämpfen würden, von denen keiner ein echter Soldat war. Dazu würden sie noch ein paar Wagenladungen Musketen erhalten. Den Krieg aber würden die Texaner selbst ausfechten müssen.
»Ich freue mich, dass Louisiana uns so unterstützt«, sagte Walther gegen seine Überzeugung, um seinen Freunden nicht den Mut zu nehmen. »Um mit Santa Anas Truppen fertig zu werden, brauchen wir neben Büchsen auch Kanonen und anderes Kriegsmaterial. Vor allem aber benötigen wir Ausbilder für unsere Milizsoldaten. Die Farmer sind es nicht gewohnt, sich mit einem im Feld aufmarschierenden Feind zu messen!«
»Louisiana tut, was es kann«, versprach Shuddle und legte den Arm um Gertrude.
»Ich danke Ihnen, dass Sie sich so fürsorglich um meine Frau gekümmert haben. Es hat leider ein wenig gedauert, bis ich die Gelegenheit gefunden habe, hierherzukommen. Aber bis diese ganze Sache ausgestanden ist, sollte sie weiterhin bei Mister und Misses Poulain bleiben und diese unterstützen.«
In Walthers Ohren klang das nicht
Weitere Kostenlose Bücher