Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
von 1824 noch nicht verflogen ist.«
»Danke, Don Hernando! Ich wünschte, Sie wären der Präsident von Mexiko, denn Sie sind ein gerechter Mann.« Austin stand auf und reichte Gamuzana die Hand. Dieser ergriff sie, drückte sie kurz und wandte sich dann Walther zu.
»Ich habe mir erlaubt, Ihre Mustangs zu kaufen. Es sind gute, junge Tiere, die mit achtzig Pesos pro Stück nicht zu teuer bezahlt sind. Sehen Sie dieses Geld auch als Entschädigung für all das an, was Ihre Frau und Sie durchmachen mussten.«
Dabei schob Gamuzana Walther einen prall gefüllten Beutel zu.
Walther sah den Alcalden verwundert an. »Ich verstehe nicht ganz, was Sie meinen.«
»Nehmen Sie neben diesem Geld auch meine Entschuldigung im Namen der Republik Mexiko an. Ich kann Ihre Mustangs gut brauchen. Oder wollen Sie die Tiere zu Ihrer Hacienda zurücktreiben?«
Da Walther von den Komantschen jederzeit neue Mustangs kaufen konnte, schüttelte er den Kopf. »Nein, das will ich nicht.«
»Dann bitte ich Sie, diese unangenehme Begebenheit zu vergessen. Damit Gott befohlen!« Gamuzana hob noch kurz die Hand zum Gruß und verließ die Cantina wieder.
»Sieht aus, als hätten auch Sie einiges erlebt«, meinte Austin nachdenklich. »Auf dem Heimritt können wir uns darüber unterhalten. Doch wie ist es nun? Müssen Sie noch länger hierbleiben?«
Walther nahm den Beutel entgegen und steckte ihn ein, ohne den Inhalt anzusehen oder gar zu zählen. Noch immer begriff er nicht, aus welchem Antrieb Gamuzana so gehandelt hatte. War es wirklich nur der Gerechtigkeit wegen, oder verabscheute der Alcalde die Methoden eines Capitán Velasquez ebenso sehr wie er selbst? Ihm blieb jedoch nicht die Zeit, darüber nachzudenken, denn er wollte Austins Frage beantworten.
»Wenn Sie sich gut genug fühlen, können wir morgen früh aufbrechen!«
»Das wäre mir sehr lieb«, erklärte Austin erleichtert. »Ich will endlich wissen, wie es zu Hause steht.«
Wichtiger aber war, sagte er sich, dass er Neuigkeiten mitbrachte, die er dringend an seine Leute, aber auch an Walther Fitchner weitergeben musste. Jeder Tag, den sie früher nach San Felipe de Austin gelangten, konnte entscheidend sein.
8.
A ls San Felipe de Guzmán hinter ihnen zurückblieb, verspürte Walther ein gewisses Bedauern. Am liebsten wäre er zu Gamuzanas Hacienda geritten, um mit diesem über die Situation im Land zu sprechen. Da Austin jedoch drängte, nach Hause zu kommen, verwarf er diese Überlegung und lenkte sein Pferd nach Norden. Unterwegs berichtete Austin von seiner Gefangenschaft und den Veränderungen, die sich im Süden Mexikos vollzogen hatten.
»Diese Umwälzungen werden Auswirkungen auf uns alle haben«, sagte er. »Ihr Siedler aus Europa werdet euch ebenso wie wir Amerikaner entscheiden müssen, wem unsere Loyalität gilt. Bislang habe ich zu Mexiko gehalten, doch nach all dem, was in der letzten Zeit geschehen ist, muss ich sagen: Männer wie Travis haben recht!
Die mexikanischen Behörden denken gar nicht daran, die uns vertraglich zugesicherten Rechte einzuräumen. Selbst in der Hauptstadt herrscht Willkür. Santa Anas Leute verhaften jeden, von dem sie glauben, er würde gegen sie stehen, und erschießen ihn. In den Provinzen ist es noch schlimmer. Santa Ana hat einen Aufstand in Yucatán blutig niedergeschlagen. Es gab kein Pardon und keine Gefangenen. Seine Soldateska hat in den Städten dieses Bundesstaats vergewaltigt und gemordet, dass es Christus erbarmen möge! Nun befindet Santa Ana sich auf dem Marsch nach Norden, um Zacatecas niederzuwerfen, weil die Provinzregierung dort die Rückkehr zur Verfassung und einen demokratisch gewählten Präsidenten fordert.«
Austin legte eine kurze Pause ein, um seine Worte wirken zu lassen. »Sobald Santa Ana Zacatecas unter seine Kontrolle gebracht hat, wird er mit seinem Heer weiter nach Norden marschieren. Er hat bereits verkünden lassen, dass er nach Texas kommen und alle Siedler vertreiben will, die keine geborenen Mexikaner sind. Daher fordert er uns auf, unsere Farmen zu verlassen und über die Grenze nach Louisiana zu gehen. Sonst – so verkünden seine Flugblätter – sähe er sich nicht in der Lage, für unser Leben zu garantieren!«
»Der Mann ist verrückt!«, entfuhr es Walther. »Er kann nicht zwanzigtausend Siedler oder mehr von ihrem Besitz vertreiben.«
»Santa Ana kann es, denn er fühlt sich an kein Gesetz und kein Recht gebunden. Wissen Sie, wie er sich mittlerweile nennen
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