Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Hof von den Pferden stiegen, öffnete sich die Tür, und der Farmer kam heraus. »Sie sind es, Fichtner! Und … oh Gott! Ich glaub es nicht! Mister Austin, sind Sie es wirklich?«
Noch während er die Frage stellte, eilte Belcher auf seinen Anführer zu und fasste dessen Hände. »Wie schön, dass die Mexikaner Sie freigelassen haben!«
Austins Gesicht verhärtete sich. »Sie taten es nicht aus Gnade oder gar der Gerechtigkeit wegen. Santa Ana ließ mich laufen, weil ich seine Warnung überbringen soll.«
»Welche Warnung?«, fragte Belcher verwirrt.
»Santa Ana hat erklärt, dass er, sobald er Zacatecas unterworfen hat, nach Texas ziehen und alle Nichtmexikaner vertreiben will. Wer nicht schnell genug davonläuft, kann nicht auf Gnade hoffen.«
Belcher sah ihn verblüfft an und begann dann zu lachen. »Santa Ana zieht sich ja verdammt große Stiefel an! Was macht er, wenn wir uns nicht vertreiben lassen?«
»Das werden wir ihn zu gegebener Zeit fragen müssen«, warf Walther ein.
Jetzt schmunzelte auch Austin. »Das tun wir, aber dann so, dass er es nicht vergisst. Doch zuerst müssen wir ein richtiges Staatswesen aufbauen, mit einem Parlament und einem Präsidenten von Texas.«
»Sie haben das Heer vergessen, Mister Austin. Ohne eine ausreichende Militärmacht wird Santa Ana uns überrollen.«
Walthers Warnung war berechtigt, doch Belcher winkte geringschätzig ab. »Santa Ana soll sich bloß hertrauen, dann fliegen ihm die Kugeln nur so um die Ohren! Jeder von uns ist ein guter Schütze, und wir haben ordentliche Gewehre!«
»Die könnten Santa Anas Truppen auch haben!«, wandte Walther ein.
Diesmal schüttelte Austin den Kopf. »Haben sie nicht. Da ich nach meiner Entlassung bis nach San Antonio de Bexár eskortiert worden bin, hatte ich genug Zeit, mir die Ausrüstung der Soldaten anzuschauen. Im Gegensatz zur Kavallerie sind die Infanteristen mit englischen Musketen ausgerüstet, die bereits bei Waterloo verwendet wurden.«
»Etwa mit der
Brown Bess?
«, rief Walther ungläubig.
Obwohl er damals erst vierzehn Jahre alt gewesen war, konnte er sich an diese Musketen noch gut erinnern. Seine eigene Büchse schoss dreimal so weit und war viel zielgenauer. »Wenn das so ist, haben wir eine Chance. Aber nur, wenn wir genug Männer in Reih und Glied stellen können, um den Ansturm der Mexikaner aufhalten zu können.«
»Das wird eine unserer wichtigsten Aufgaben sein. Aber als Erstes brauchen wir eine gewählte Regierung, die mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten verhandeln kann.« Austin fuhr sich erschöpft über die Stirn. »Mister Belcher, ich würde mich bei Ihnen gerne eine Nacht ausruhen und morgen weiter nach San Felipe de Austin reiten.«
»Sie sind mir willkommen, Mister Austin. Und was ist mit dir, Fichtner?«
Walther überlegte kurz und schüttelte den Kopf. »Ich würde gerne mitkommen, aber ich muss nach Hause. Meine Frau ist gewiss besorgt, da sie nicht weiß, wie die mexikanischen Behörden meine Beschwerde über Velasquez’ Verhalten aufgenommen haben.«
»Ein anderer Alcalde als Gamuzana hätte Sie wahrscheinlich als Aufrührer ins Gefängnis gesteckt«, erklärte Austin. »Es muss unsere Aufgabe sein, ihn und auch andere Großgrundbesitzer wie zum Beispiel Seguín, der ja noch mehr Einfluss hat, auf unsere Seite zu ziehen. Wenn sie begreifen, dass wir keine Feinde des mexikanischen Volkes sind, sondern die in der Verfassung von 1824 festgelegten Rechte verteidigen, die Santa Ana ohne Legitimation außer Kraft gesetzt hat, wäre uns sehr geholfen.«
Walther stimmte ihm zu. »Ich werde auf dem Heimweg Diego Jemelin aufsuchen und schauen, wie er zu der Sache steht. Schlägt er sich auf unsere Seite, tun dies auch die anderen mexikanischen Siedler.«
»Und wenn nicht?«, fragte Belcher.
»Dann werden wir uns etwas einfallen lassen müssen.« Walther wollte sich gar nicht vorstellen, was es bedeuten würde, wenn Jemelin und dessen Mexikaner, die etwa die Hälfte der Siedler im Gamuzana-Gebiet ausmachten, sich gegen sie stellen würden.
Das Gespräch erlahmte, als Belcher sie ins Haus einlud, in dem seine Frau Anneliese bereits den Tisch gedeckt hatte. In ihrer Anwesenheit mieden sie alle schwerwiegenden Themen und redeten über allgemeine Dinge. Annelieses blasses Gesicht und ihre zuckenden Lippen verrieten ihnen jedoch, dass sie genug gehört hatte und sich vor dem fürchtete, was die Zukunft für sie bereithielt.
Nach dem Essen verabschiedete Walther sich und stieg
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