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Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Titel: Der weite Himmel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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getan werden mußte. »Hab’ schon ’nen Trupp losgeschickt, um die Zäune zu reparieren. Brewster und Pickles schauen sich auf den oberen Weiden mal um, da haben wir ’n paar Tiere verloren. Sieht nach ’nem Puma aus.« Wieder zog er an seiner Zigarette und stieß genüßlich den Rauch aus. »Um den wird sich Brewster kümmern, der knallt die Biester gerne ab.«
    »Ich will mit ihm sprechen, sobald er zurück ist.«
    »Das hab’ ich erwartet.« Ham richtete sich auf und rückte seinen alten, verbeulten Hut zurecht. »Die Jungtiere werden gerade entwöhnt.«
    »Ja, ich weiß.«
    Ham hatte diese Antwort erwartet. Er nickte zustimmend. »Ich werd’ die Leute im Auge behalten. Das mit deinem Pa tut mir leid, Will.«
    Sie wußte, daß diese beiläufig dahingeworfenen schlichten Worte ehrlicher und aufrichtiger gemeint waren als die Berge von Blumen und Kränzen, die ihr völlig fremde Menschen geschickt hatten. »Ich reite später selbst hinaus.«
    Ham nickte ihr und dem Mann neben sich zu, dann stolzierte er säbelbeinig in Richtung seines Geländewagens.
    »Wie fühlst du dich, Will?«
    Sie zuckte die Achseln, frustriert, weil sie nicht wußte, was sie als nächstes tun sollte. »Ich wünschte, es wäre schon morgen«, sagte sie schließlich. »Morgen sieht die Welt bestimmt freundlicher aus, meinst du nicht auch, Nate?«
    Die Antwort auf diese Frage lautete ›Nein‹, aber das behielt er für sich. Statt dessen trank er sein Bier aus. Er war als ihr Freund hier, als Nachbar und als Rancher, aber er war zugleich auch in seiner Eigenschaft als Jack Mercys Anwalt im Haus, und er wußte, daß er in Kürze der Frau neben ihm eine vernichtende Nachricht übermitteln mußte.
    »Laß uns ein Stück gehen.« Er stellte die Bierflasche auf das Geländer und nahm Willas Arm. »Ich muß mir die Beine vertreten.«
    Lang genug waren sie ja. Nathan Torrence hatte schon mit siebzehn seine Altersgenossen überragt und war dann immer noch gewachsen. Nun, mit dreiunddreißig, hatte er die zwei Meter fast erreicht. Er war schlank, unter seinem Hut kräuselte sich dichtes weizenblondes Haar, und in dem von Wind und Wetter gegerbten Gesicht leuchteten Augen, die so blau waren wie der Himmel über Montana. Die langen Arme endeten in riesigen Händen, die langen Beine in ebenso großen Füßen. Trotzdem bewegte er sich erstaunlich anmutig.
    Wenn es sich um seine Familie, seine Pferde und die Gedichte von Keats handelte, hatte der Mann ein butterweiches Herz, doch sobald es um Rechtsangelegenheiten und die Frage von richtig oder falsch ging, zeigte sich sein messerscharfer Verstand. Er hegte eine langjährige, tiefe Zuneigung zu Willa Mercy. Deswegen belastete es ihn auch so, daß er sie durch die Hölle schicken mußte.
    »Ich habe noch nie jemanden verloren, der mir nahestand«, begann er. »Daher kann ich auch nicht nachempfinden, wie dir zumute ist.«
    Willa ging weiter, vorbei an der Küche, den Unterkünften der Männer und dem Hühnerstall, wo die Hennen zu gackern begannen. »Er hat niemanden an sich herangelassen, auch mich nicht. Ich weiß gar nicht genau, wie ich mich fühle.«
    »Die Ranch …« Hier begab er sich auf dünnes Eis, und
Nate umging das heikle Thema vorsichtig. »Es ist eine ziemliche Verantwortung.«
    »Wir haben gute Leute, gutes Vieh, gutes Land.« Es fiel ihr nicht schwer, Nate zuzulächeln. »Und gute Freunde.«
    »Du kannst jederzeit auf mich zählen, Will. Auf mich und auf jeden sonst in der Gegend.«
    »Ich weiß.« Sie blickte an ihm vorbei über die Weiden, die Pferche, die Nebengebäude und die Scheunen bis hin zum Horizont, wo sich das Land mit dem Himmel traf. »Seit mehr als hundert Jahren hat ein Mercy diese Ranch verwaltet, hat Vieh gezüchtet, Korn gesät und Pferde aufgezogen. Ich weiß, was zu tun ist und wie es getan werden muß. Nichts ändert sich jemals wirklich.«
    Alles ändert sich, dachte Nate. Und die Welt, von der sie sprach, würde aufgrund der Hartherzigkeit jenes Mannes, der soeben begraben worden war, bald aus den Fugen geraten. Es war besser, die Sache hinter sich zu bringen, ehe sie auf ihr Pferd oder in ihren Jeep stieg und verschwand.
    »Am besten beginnen wir jetzt mit der Testamentseröffnung«, beschloß er.

Kapitel 2
    Jack Mercys Büro im zweiten Stock des Haupthauses hatte die Größe eines Ballsaals. Die Wände waren mit Kiefernholz getäfelt, das von seinen Bäumen stammte. Die schimmernde Lackierung verlieh ihm einen goldenen Glanz, der den ganzen Raum erfüllte.

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