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Der weite Weg nach Hause

Der weite Weg nach Hause

Titel: Der weite Weg nach Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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war, das ihn mehr begeistern würde als alles, was er jemals gemacht hatte. Sagte sich mit einem Mal: Wenn man eine Sache stark genug liebt, dann macht man sie auch irgendwie wahr ...
    Nebenan sprang Christy nervös herum, verteilte scharlachrote Papierservietten auf dem Tisch, arrangierte die Nelken in einem alten braunen Krakeleekrug immer wieder neu. Kam ständig in die Küche und fragte: »Wie läuft’s, Kumpel?«
    »Läuft gut.«
    »Sollen wir als Aperitif irgendwelches Knabberzeug anbieten, so was, wie sie gemacht hat?«
    »Ja. Keine Sorge, Christy. Ich mache noch Minikäsetorteletts aus dem übrig gebliebenen Teig.«
    Christy ging aber noch nicht, sondern sagte: »Wenn heute Abend alles gut geht, muss ich Jasmina als Nächstes Frankie vorstellen.«
    Lev gab noch mehr Mehl an seinen Mürbeteig und rollte ihn dünner aus. »Jasmina wird Frankie mögen.«
    »Ja, aber wird Frankie Jasmina mögen? Das macht mir mehr Sorgen. Myerson-Hill könnte ein Scheißrassist sein. Dieses Selbstgefällige, das dieser Mann hat. Dieses total weiße Dachgeschoss. Und das könnte auf Frankie abgefärbt haben.«
    »Du weißt es nicht ...«
    »Nein, ich weiß es nicht, aber ein paar Dinge kann man einfach vermuten .«
    »Frankie wird Jasmina mögen. Sie ist eine wunderbare Frau, Christy.«
    » Ich weiß das. Und du auch. Aber jetzt möchte ich, dass alle anderen es auch wissen. Ich möchte, dass die ganze Welt, einschließlich meiner Tochter, den Saum ihres Gewands küsst.«
    Sie kam um sieben, parkte ihren alten Renault Clio auf der anderen Seite der staubigen Straße. Christy hatte ein sauberes weißes Leinenhemd angezogen, und vor lauter Sorge und Aufregung sah sein Gesicht ganz anämisch aus. Die kleine Wohnung roch nach Möbelpolitur und Schokolade.
    Jasmina trug einen blauen Sari, und sie hatte sich eine neue Brille mit blauem Gestell gekauft. Lev fand, dass sie mit ihrerreinen Haut, den großen Augen und dem akkuraten Haaransatz wie auf einer Reklame für diese Brille aussah. Mit ihrer Hilfe musterte sie die Nelken in dem Krakeleekrug und die roten Papierservietten, die jetzt in Weingläsern steckten.
    »Sehr hübsch, Christy«, sagte sie.
    »Es sieht überall ein bisschen leer aus«, entschuldigte er sich ängstlich. »Angela hat viel Zeug mitgenommen.«
    »Ich finde es sehr nett.«
    »Möchtest du auch den Rest sehen?«
    »Wenn ich darf.«
    »Du zeigst ihr alles, Lev. Ich öffne den Wein.«
    Lev führte sie von Zimmer zu Zimmer. Die Schwelle zu Christys Schlafzimmer oder zum Badezimmer überschritt sie nicht, blickte nur aufmerksam durch die Türen und nickte in schweigendem Einverständnis. Aber als sie zu Levs Zimmer kamen − Frankies Zimmer −, betrat Jasmina es auf Zehenspitzen, fast als könnte dort im Etagenbett ein schlafendes Kind liegen. Sie stellte sich sehr still ans Fenster und schaute hinaus in den Himmel, nahm dann eins der Plüschtiere in die Hand, die noch auf der Fensterbank lagen. Es war ein Tiger. Jasmina starrte auf diesen Tiger und sagte: »Wissen Sie, ich habe keine Ahnung, wie man irgendwie die Mutter oder Stiefmutter für ein Kind sein könnte. Aber ich hoffe, dass ich die Möglichkeit bekomme, es wenigstens zu versuchen.«
    »Das werden Sie«, sagte Lev. »Ganz bestimmt werden Sie das.«
    »Ich tröste mich damit, dass Frankie ein Mädchen ist. Bei einem Jungen wäre ich völlig ratlos, fürchte ich.«
    Alles war aufgegessen, beinahe auch die ganze üppige Schokoladentorte. Jasmina hatte sich, die hübschen Hände vor dem Bauch gefaltet, in ihrem Stuhl zurückgelehnt und verkündete: »Mein Gott, bin ich genudelt. Sie sind ein guter Koch, Lev. Sie werden Ihr Restaurantprojekt ganz bestimmt verwirklichen.«
    Auf diese Bemerkung folgte Schweigen. Die frisch gewaschenen Spitzengardinen vor dem Fenster bewegten sich sanft in der Abendbrise. Christy schenkte Weißwein nach und nahm selbst einen großen Schluck.
    »Wenn es um ein Projekt in Großbritannien ginge«, fuhr Jasmina ruhig fort, »könnten Sie ein Darlehen für Kleinunternehmer beantragen. Die Hertford and Ware könnte Ihnen dabei sogar helfen. Wir haben inzwischen diversifiziert, jenseits von normalen Krediten. Ich könnte Ihre Unternehmensberaterin werden!«
    »Das wäre nett, Jasmina.«
    »Ja, das wäre doch lustig, oder? Aber die H & W fasst nichts außerhalb von Großbritannien an. Das weiß ich ganz sicher. Also müssen Sie die Struktur dessen, was offiziell für Sie drin ist, prüfen.«
    Nun war Lev ratlos. Was meinte sie mit »die

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