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Der weite Weg nach Hause

Der weite Weg nach Hause

Titel: Der weite Weg nach Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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dich jetzt kurz an und denken: Scheißaraber, Selbstmordattentäter, Muslimabschaum. Ich mache keine Witze, Lev. So sieht es inzwischen aus. Wir sind alle abgestempelt.«
    »Ja, das habe ich gemerkt.«
    »Ich bin aus Qatar, verstehst du? Ich habe nichts mit Osama Bin Laden zu tun oder mit einem von diesen verdammten Fanatikern. Ich bin sogar noch netter und freundlicher als dieser Bagdad-Blogger. Du weißt das, weil ich glaube, ich war gut zu dir, ja? Ich habe dich fair behandelt.«
    »Ja, Ahmed. Das hast du.«
    »Genau. Aber britische Menschen − junge und alte − sehen mich an, als ob ich sie vergiften will. Manchmal abends habe ich überhaupt kein Geschäft. Scheißpizzaladen nebenan platzt vor Kunden, und ich habe keinen. Pub-Sperrstunde, Dönerspieß brutzelt mit frischem Fleisch, Salate hübsch in der Kühltheke aufgereiht – und niemand ist in meinem Scheißladen! Ich sage dir, am liebsten möchte ich mich einfach hier hinstellen und weinen.«
    »Es tut mir leid, Ahmed.«
    »Ja. Weinen. Wie du in meiner Toilette geweint hast. Und ich merke etwas: Ich erfinde keine Sprichwörter mehr. Als ob mein Gehirn erschöpft ist.«
    Lev nickte ernst. Die beiden Männer standen dicht nebeneinander über den Tresen gebeugt. Draußen auf der Earls Court Road schob sich die Menge vorüber, blinzelnd oder mit finsterem Gesicht in der hellen Sonne.
    »Vielleicht geht das vorbei«, sagte Lev nach einer Weile. »Das, wie die Menschen über dich denken. Vielleicht gehört das nur zu dieser Zeit, und es wird enden.«
    »Sicher«, sagte Ahmed. »Du kannst recht haben. Jedenfalls solange es nicht noch mehr Bomben gibt. Nur, wie soll ich denn weiterleben? Kann mir nicht mal die Reparatur von meinem Kühlschrank leisten, Lev. Kann mir nicht mal mehr leisten, Scheißprospekte zu drucken! Ich habe Frau und Kind. Vielleicht kann ich zwei, drei Monate so leben. Dann ist es vorbei. Und es war mein Traum, das hier. Mein eigenes Lokal. Mein Name auf dem Fenster.«
    Lev trank seinen Kaffee, dann sagte er leise: »Es ist auch mein Traum.«
    »Wie meinst du das, Prospektemann?«
    »Ich habe diese verrückte Idee, Ahmed. Zurück in mein Land gehen, ein Restaurant eröffnen in einer Stadt, die Baryn heißt.«
    Ahmed machte große Augen vor Entsetzen. »Ja? Ist das dein Ernst?«
    »Ernst in meinem Kopf − verstehst du? Aber GK hat die Kosten für mich berechnet ...«
    »Okay. Du brauchst nicht weiterzureden. Alles in der Welt endet irgendwann beim Geld. Deshalb fangen die Menschen wieder an, Religion zu lieben. Sie haben genug vom Klang des Abakus.«
    Lev ging die Kellertreppe hinunter, sah die gelbe Haustür und die Katze, die neben der blauen Hortensie döste. Er blieb stehen und starrte auf diese Dinge, und die Katze rührte sich nicht. Die Sonne fiel auf die buschigen Hortensienblüten und die beschnittenen Lorbeerbäumchen. Eine Gießkanne aus Zink stand unter dem Wasserhahn an der Wand.
    Er war in Kowalskis Hof. Alles war so still und friedlich wie immer. Waren Shepard und Kowalski zu Hause? Sollte Lev an der Haustür klingeln und verkünden, dass er einmal unerlaubt eine ganze Nacht auf ihrem Privatgelände verbracht hatte, versteckt unterhalb der Straße geschlafen hatte, sich neben dem Wasserhahn erleichtert hatte? Etwas in ihm hätte genau das gern getan, hätte gern gesagt, er stehe doppelt in ihrer Schuld, weil er ihn hier zum ersten Mal geatmet habe, den Hauch des Glücks in dieser Stadt ...
    Als sein Telefon klingelte, wandte er sich um und ging zurück auf die Straße. Neben dem Gitter blieb er stehen, die Sonne im Gesicht.
    »Lev«, sagte eine Frauenstimme. »Spreche ich mit Lev?«
    »Ja.«
    »Oh, gut. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, dass ich Ihre Handynummer anrufe. Ich habe sie von Sophie.«
    »Wer ist da, bitte?«
    »Mrs. McNaughton vom Pflegeheim Ferndale Heights. Und ich rufe an, um Sie um eine Gefälligkeit zu bitten. Passt es Ihnen gerade oder sind Sie beschäftigt?«
    Jetzt fiel es ihm wieder ein, die Direktorin von Ferndale Heights, tüchtig und streng, aber mit einem freundlichen Gesicht. »Ich bin nicht gerade beschäftigt.«
    »Gut. Also, es ist so, wir haben ein Dilemma, Lev. Sie erinnern sich bestimmt noch an Mrs. Viggers und ihre Tochter Jane, die hier in der Küche gearbeitet haben?«
    »Ja.«
    »Nun, ich fürchte, wir sitzen in der Klemme. Sie sind gestern gegangen, ohne vorher irgendetwas zu sagen. Keine Kündigung. Nichts. Einfach Abmarsch, und das war’s. Wie Menschen sich so verhalten können,

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