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Der weite Weg nach Hause

Der weite Weg nach Hause

Titel: Der weite Weg nach Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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hohen Fenstern und sah, wie der Himmel hinter den Apfelbäumen leuchtendgrün wurde.
    Das Paradies von Muswell Hill.
    Es kam Lev noch wunderbarer vor, weil das Essen großartig war, und auch, weil er sich endlich wieder in seiner eigenen Sprache bewegen konnte, aber für ihn würde es nicht lange das Paradies sein. Wenn er später mit Lydia all die Stellenanzeigen in der Zeitung durchgegangen wäre, stünde er wieder allein auf der Straße. Er wusste, dass er meilenweit von Kowalskis Hofentfernt war, wo würde er also schlafen? Sollte er sie darum bitten, ein weiteres B & B für ihn zu finden? Und weitere zwanzig Pfund für ein sauberes Bett und eine Dusche ausgeben?
    Er beschloss, darüber erst später nachzudenken. Im Notfall könnte er unter den Apfelbäumen schlafen. In der Nacht würden Füchse kommen und seine schlafende Gestalt beschnüffeln. Er trank den Weißwein und merkte, wie er ihm zu Kopf stieg, während Lydia begeistert von ihrer Arbeit erzählte, vom genialen Pjotr Greszler und von ihrer Liebe zur Musik, und Tom und Larissa stießen mit ihnen auf die Zukunft an, und die Weingläser wurden erneut gefüllt, und Tom stand auf, um eine weitere Flasche zu öffnen. Dann sagte Lydia: »Genug von mir. Ich bin so egoistisch. Jetzt müssen wir Lev helfen, eine gute Arbeit zu finden. Das ist unser Auftrag.«
    »Ja, du hast recht«, sagte Larissa. »An was für eine Arbeit denken Sie denn?«
    Lev sagte, er sei nur für eine Sorte Arbeit qualifiziert, und zwar die eines Mechanikers auf einem Holzhof. Und mit einem Mal begann er zu erzählen, wie die Bäume in Baryn alle gefällt worden waren, ohne dass je nachgepflanzt wurde, so dass die Sägemühle schließlich nichts mehr zu sägen hatte und alle Maschinen jetzt schwiegen und vor sich hin rosteten, während die Jahre vergingen.
    »Ist das nicht typisch für unser Land, Larissa?«, sagte Lydia. »Niemand denkt an die Zukunft, und niemand hat das jemals getan, und jetzt ist die Zukunft da, und die Menschen gehen weg.«
    »Na ja«, sagte Larissa, »ich bin schon vor einer Ewigkeit gegangen.« Und sie erzählte die Geschichte, wie Tom 1992 zu einer internationalen Therapeutenkonferenz nach Glic gekommen war und wie sie selbst mit einer Freundin aus ihrer Yogagruppe eine Nachtbar besucht hatte, wo sie Tom begegnete, der allein dort saß und trank, und wie sie sich im Laufe dieser einen Nacht in ihn verliebte.
    Während sie diese Geschichte erzählte, schlürfte Tom seinen Wein und lächelte, und seine blauen Augen leuchteten im Kerzenlicht wie die eines Kindes. Und Lev dachte: Mein Leben wird nie wie das ihre sein. Es wird stumpfsinnig und ohne Liebe sein. Aber er wollte nicht, dass diese Leute merkten, wie er sie beneidete, deshalb heuchelte er großes Interesse für Larissas Geschichte von der Begegnung in der Bar und wie Tom um sie geworben hatte und wie sie einander Sprachunterricht im Bett gegeben hatten. Und das Thema seiner eigenen Arbeitssuche versandete, als könne es keiner ertragen, den Abend mit etwas so Prosaischem zu verderben, nicht einmal Lydia, und Lev dachte: Na gut, egal, das Essen ist herrlich und auch der Wein, und das Licht im Zimmer ist golden; ich werde unter den Apfelbäumen schlafen, und morgen früh können Lydia und ich die Zeitungsanzeigen durchsehen.
    Nach dem Essen saßen sie auf den Ledersofas, tranken Kaffee, Lev rauchte, und sie unterhielten sich über Yoga. Larissa sagte: »Wer Yoga praktiziert, lebt in einem Zustand, den wir ›aufmerksame Passivität‹ nennen. Das heißt, wir sind hellwach − schlafen nicht emotional und spirituell, so wie viele Menschen in diesem Land −, und trotzdem hinterfragen wir nicht ständig alles. Verstehen Sie? Wir sind lebendig und offen, und wenn man auf diese Weise wartet, kommen einem die Ideen für das eigene Tun und die Lösungen für alle möglichen Probleme von ganz allein.«
    Das gefiel Lev. Er wünschte, es würde auch für ihn gelten. Aber er fühlte sich verpflichtet zu sagen: »Ich glaube nicht, dass viele Menschen die Einstellung besitzen, die Sie beschreiben, Larissa. Ich möchte nur meinen Freund Rudi als Beispiel nennen, der ganz entschieden ›ständig alles hinterfragt‹, und das in jedem Augenblick seines Lebens.«
    Und alle lachten, und Lydia sagte: »Ach, erzähl doch Larissa und Tom die Geschichte mit dem Tschewi, Lev.« Also setzte Lev zu dem langen Drama an, wie er mit Rudi das Auto kaufenfuhr und die Tür in den Schnee fiel und sie Wodka über die Windschutzscheibe gossen,

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