Der Weltensammler: Roman (German Edition)
Mangobäume sind eng gepflanzt, ihre Äste schlingen sich ineinander. Unter diesem Baldachin ist es niemals gänzlich Tag. Burton gesellt sich zu Speke, der unter einem nahen Vordach dem bettlägerigen Konsul Gesellschaft leistet. Anstatt nach Hause zu segeln, hat er sie nach Bagamoyo begleitet. Um nach dem Rechten zu sehen, hat er behauptet. Um sich für immer zu verabschieden, vermutet Burton. Als wollte er zum Ausdruck bringen: Ihr reist ins Unbekannte und ich in den Tod.
Seht euch diesen Hampelmann an, sagt Speke. Muß er so ein purpurnes Gewand tragen? Und all den Firlefanz auf dem Kopf? Wie das Nest eines Greifs, bemerkt Burton, und sie lachen zusammen, ein kurzes, unangemessenes Lachen. Kein Sinn für Camouflage, wir werden Meilen gegen den Wind auffallen. Das ist durchaus beabsichtigt, sagt der Konsul. Deswegen hält er auch die rote Standarte des Sultans hoch, damit jedermann von weitem gewarnt ist, daßdiese Karawane aus Sansibar stammt und unter dem direkten Schutz des Sultans steht. Um ihn mache ich mir keine Sorgen, sagt Burton, eher um unsere Schutztruppe. Die dreizehn Belutschen schreiten an ihnen vorbei, bewaffnet mit Musketen, Säbeln und Dolchen sowie einem Pulverbeutel, den ein jeder von ihnen auf eigene Art und Weise am Körper befestigt hat. Sie folgen ihrem Anführer, dem einäugigen, pockenvernarbten, langarmigen Jemadar Mallok. Ich habe ihnen eine Belohnung in Aussicht gestellt, sagt der Konsul, wenn sie euch beide heil zu uns zurückbringen. Die Belutschen drücken ihre Musketen gegen die Schulter und fallen in einen ungenauen Gleichschritt, als wollten sie eine Parade verhöhnen. Sie erinnern Burton an die Kompanie von Sepoy, die er in Baroda mühsam auf Vordermann brachte, an die Bashibazuk, die er im Krimkrieg mit Ach und Krach kommandierte. Doch die Sepoy waren im Vergleich zu diesem Haufen, der an ihm vorbeihampelt, geradezu diszipliniert, und die Bashibazuk waren um einiges wilder, kampfgieriger als diese Nachfahren von Fakiren, Matrosen, Kulis, Bettlern und Dieben, die aus einem öden Land stammen, das viele seiner Söhne vertrieben hat, und von diesen trotzdem in wehmütigen Liedern besungen wird, weil das karge Tal, dem ihre Vorväter den Rücken gekehrt hatten, in der Erinnerung erblüht.
Der Konsul übergibt das Empfehlungsschreiben des Sultans an Burton. Es ist wichtig, sagt er, zumindest auf der ersten Teilstrecke. Dann werdet ihr in Gebiete vorstoßen, in denen keiner weiß, daß es einen Sultan gibt, höchstens hat der eine oder andere von ihm gehört, vage, wie aus einer fremden Legende. Burton faltet das Schreiben sorgfältig zusammen und steckt es in seinen ledernen Beutel, zu seinen zwei Pässen, dem segnenden Brief des Kardinals Wiseman und dem Diplom des Sheikhs von Mekka, das seine Hadj bestätigt. Er ist gut vorbereitet, in jeder Hinsicht. Er verabschiedet sich vom Konsul mit einem schnellen Händedruck, für den er sich unmittelbar danach schämt, weil er sich eingestehen muß, daß es ihn vor der fleckigen Haut geekelt hat.
Auf den ersten Meilen kann er an nichts anderes denken als an mögliche Versäumnisse. Haben sie genug Tauschmittel mitgenommen? Sollten ihnen Perlen und Stoff ausgehen, wie würden sie sichdann Nahrung verschaffen? Sein Blick verharrt auf den Rollen, die auf den Köpfen der Träger balancieren, Rollen von Merikani – ungebleichter Baumwollstoff aus Amerika –, Rollen von Kaniki – indigogefärbter Stoff aus Indien. Sie müssen ausreichen, sonst würden sie verhungern. Dort, wo die kurze Allee in die Unförmigkeit des Busches biegt, ist das Meer schon Vergangenheit. Sie werden verschluckt von Gräsern, die ihnen bis zur Schulter reichen. Sie folgen einem Fluß, den sie selten sehen können. Der Boden ist fest, der Busch reicht endlos in die Ferne. Die Einheimischen meiden offenkundig die Karawanen. Sie kommen an einer verfallenen Hütte vorbei, an einem ersten Dorf, in dem kleine Fische vor den Hütten getrocknet werden und frisch geerntete Früchte aufgehäuft sind. Außerhalb des Dorfes verschlingt sie der ursprüngliche Raum wieder, diese unförmige Einschüchterung, die einem leicht Angst einjagen könnte. Sie werden sich täglich darin behaupten müssen, denkt Burton, eine Herausforderung, vor der keiner sie gewarnt hat.
Nicht einmal Tulsi, Warnschreier par excellence, einer jener servilen Inder, die vorgaben, ihnen von Hilfe zu sein, während sie die Kasse der Expedition über Gebühr belasteten und im Gegenzug Hiobsbotschaften
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