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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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endlich heim.
     
     
     
    SIDI MUBARAK BOMBAY
    – Sag, Baba Sidi, ich habe nie richtig verstanden, was du getan hast auf der Reise?
    – Eine gute Frage.
    – Du hast nicht getragen …
    – Richtig.
    – Du hast nicht gekämpft …
    – Richtig.
    – Du hast nicht gekocht …
    – Richtig.
    – Du hast nicht gewaschen …
    – Es gab andere für solche Dienste.
    – Was hast du dann getan?
    – Ich habe sie geführt!
    – Sag das bitte noch einmal, Bruder.
    – Ich habe die Expedition geführt.
    – Du? Du warst doch nie zuvor an diesem großen See, den sie suchten.
    – Nein.
    – Und du hast sie hingeführt?
    – Wenn keiner den Weg kennt, kann jeder führen.
    – Ich kannte den Weg zwar nicht, aber er war nicht schwer zu finden. Es gab nur einen Weg durch das Land, den Weg der Karawanen, die mit Menschen handeln. Ihr dürft nicht denken, was ihr selber nicht kennt, kennt kein anderer. Es gab Araber, die so häufig auf diesem Weg gereist waren wie manche unserer Händler nach Pemba. Es gab Träger, die sich und ihre Nächsten ernährten, indem sie Ballen schleppten, von der Küste aus ins Landesinnere, fünfzig oder hundert Tage lang, und wieder zurück. Vergeßt nicht, der tägliche Weg braucht keine Wegweiser. Ich hatte viele Aufgaben, mehr als genug Aufgaben, ich mußte vermitteln und auskundschaften, ich war die rechte Hand von Bwana Speke, ich war das Binokel von Bwana Burton …
    – Was ist das?
    – Ein Gerät, mit dem all das, was weit weg ist, nahe kommt.
    – Wie die Zeit also?
    – Kannst du dir die Zeit ans Auge halten?
    – Könnt ihr euch vorstellen, wie Bwana Speke mit seiner rechten Hand nach dem Binokel von Bwana Burton greift, und, oh weh, es ist der schwere Sidi?
    – Kannst du deinen Spott nicht einmal auf dich selbst richten?
    – Nein, du weißt doch, das Rasiermesser kann sich nicht selbst rasieren.
    – Oh ja. Es gab eine weitere Aufgabe, die sehr wichtig war, ich mußte übersetzen, denn Bwana Burton und Bwana Speke konnten sich nicht mit den Trägern verständigen, wir hatten nur eine Sprache gemein, die Sprache der Banyan, und unter den Menschen von Sansibar sprach nur ich diese Sprache …
    – Wieso konnten die Wazungu die Sprache der Banyan, Großvater?
    – Sie hatten beide in der Stadt gelebt, in der ich auch …
    – Die Stadt, die so heißt wie du.
    – Ja, mein Liebling, gut aufgepaßt, die Stadt, deren Namen ich trage. Bwana Burton, er sprach wie ein Banyan, schnell und richtig, er konnte seine Zunge so krümmen, wie die verrückten Nackten im Land der Banyan ihre Körper krümmen konnten. Bwana Speke hingegen sprach wie ein Tattergreis, er suchte nach den Wörtern wie nach einem Geldstück, das man in einer Truhe verlegt hat, er konnte die Wörter nicht miteinander verbinden. Ihr könnt euch vorstellen, wie langsam, wie beschwerlich die Gespräche zwischen Bwana Speke und mir verliefen, am Anfang zumindest, bevor er ein wenig lernte und ich ein wenig lernte, und der Eintopf unserer gemeinsamen Sprache reichhaltiger wurde, denn er war schwer zu verstehen, sein Hindustani war schlechter noch als mein Hindustani. Ich übersetzte das, was ich begriffen zu haben glaubte, ins Kisuaheli, und im Landesinneren mußten wir jemanden suchen, der des Kisuaheli mächtig war und die Fragen von Bwana Speke in die Sprache der Einheimischen übersetzen konnte, jemand, der viel guten Willen aufbringen mußte und der trotzdem nicht alles verstehen konnte. Also ließ er aus, was er nicht verstand, oder ergänzte es mit seinen eigenen Annahmen, und so waren die Antworten, die wir schließlich erhielten, manchmal mit den Fragen nicht einmal mehr entfernt verwandt. Es dauerte und dauerte, und wem es an Geduld fehlt, der hätte den bedächtigen Schritt dieser Gespräche nicht ausgehalten. Es war eine einsame Reise für Bwana Speke, er konnte sich nur mit einem einzigen Menschen in seiner eigenen Sprache unterhalten, mitBwana Burton, und als ein Streit die beiden entzweite, redeten sie nicht miteinander, monatelang. Also schwieg er, Bwana Speke, und ließ allein sein Gewehr reden.
    – Er hat Menschen erschossen?
    – Wie viele denn?
    – Er schoß auf Tiere, nur auf Tiere, mein Kleiner. Auf viele, viele Tiere. Wenn es ein Totenreich gibt für Tiere, es ist seitdem so voll wie die Moschee zu Ramadan.
    – Er konnte sich mit niemandem unterhalten, vielleicht mußte er deswegen so viel töten.
    – Wenn das richtig wäre, Baba Adam, dann wären die Stummen die allerschlimmsten Mörder.
    – Er war oft

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