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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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Sonnenuntergang, eine lange Zeit, in der ich ihm zum letzten Mal diente, und selbst danach war er nicht vollständig verbrannt, der Beckenknochen, der war noch übrig.
    – Das ist abscheulich!
    – Stellt euch vor, wie er in der Hölle herumirrt, ein Becken nur, von dem bei jeder Bewegung Asche hinabrieselt.
    – Wie soll er sich bewegen, wenn er nur aus einem Becken besteht?
    – Verrückt.
    – Gott gebe diesen Armen mehr Verstand.
    – Ich weiß nicht, ob ihr recht habt. Mit den Hyänen zu heulen erscheint nur dann verrückt, wenn man selber keine Hyäne ist.
    – Baba Ilias, vielleicht erklärst du uns eines Abends, was Hyänen mit der Verbrennung von Leichen zu tun haben.
    – Und ich weiß immer noch nicht, wie du nach Sansibar zurückgekehrt bist.
    – Mein Herr hatte verfügt, in seinem Letzten Willen, ich solle nach seinem Tod die Freiheit …
    – Kaffee, wie viele Kaffee?
    – Es gibt nur eine, die mir so ins Wort fällt.
    – Du kommst genug zum Reden. Laß uns unseren Gästen auch etwas geben, das sie unbeschwert genießen können. Madafu, wer möchte Madafu? Unser Sohn hat heute frische Kokosnüsse gebracht.
    – Sagt schon, was ihr wollt. Ich werde keine Ruhe finden, bis sie nicht von euch allen Antwort erhalten hat.
     
     
     
    Die Boote sind eingelaufen, eng liegen sie beieinander, wie Ziegen im Kral. Wolkensträhnen fallen über den Himmel, Stimmen balgen sich um das beste Geschäft. Frauenhände säubern die kleinen Makrelen, werfen die Gedärme neben die trocknenden Netze und den restlichen Fisch in den Korb. Einige Männer verarzten ihre Boote mit langsamen Bewegungen, als müsse im Tageslicht alles neu abgesichert werden. Mittendrin steht der Fremde. Er steht einfach da, regungslos. Er muß schon lange dagestanden haben, denn die Fischer und Marktfrauen beachten ihn nicht mehr. So als gehöre er dazu. Nur einige Kinder hängen an ihm; sie versuchen das Ende seiner Jacke umzustülpen, um Abkürzungen zu seinen vielen Taschen zu finden. Er ist ein Schwamm, der alles aufsaugt; angespannt, voller gieriger Achtsamkeit. Er hat eine unruhige Nacht verbracht. Es ist sein letzter Tag auf dieser Insel. Er ist früh aus dem Haus gegangen, aus dieser graubraunen Weinkiste, in der das britische Konsulat untergebracht ist und die im Inneren nach dem Konsul riecht, der sich nicht dazu durchringen kann, seinem eigenen Tod davonzusegeln. Als Burton das Gebäude verließ, hatte ihn seine Stimme aufgehalten. Der Konsul lag auf der Veranda, in Decken gehüllt.
    – Einen schönen guten Morgen, Dick.
    – Schön daran ist höchstens, daß er die Nacht beendet hat.
    – Schlechte Träume?
    – Überhaupt keine Träume.
    – Vielleicht ein gutes Zeichen.
    – Zeichen? Ich ziehe es vor, Zeichen zu setzen. Freue mich übrigens über Ihren Entschluß, nach Hause zurückzukehren.
    – Nach Hause? Gewiß, eines Tages werde ich heimkehren.
    – Eines Tages? Gestern abend waren Sie drauf und dran, den Befehl zum Einpacken zu geben.
    – Wir haben uns etwas in Ekstase geredet, mein Lieber. Ich muß doch erst einmal dafür sorgen, daß Sie gut auf den Weg gelangen.
    – Sie müssen einzig und allein dafür sorgen, daß Sie gesund werden. Heimkehr ist die beste Heilung.
    – Die Gesundheit, ja, der ist in den Tropen so gar nicht wohl. Wissen Sie übrigens, woran die wohlhabenden Sansibari sterben, ich meine, wenn sie nicht erwischt werden von der Cholera, den Pocken oder der Malaria?
    – An Vergiftung?
    – Nein, mein Guter. Sie neigen zur Dramatik. An Verstopfung. Vor Jahren hatte ich einen französischen Freund, ein Doktor, er erklärte mir, der Grund sei ihre Trägheit. Sie sterben an Trägheit, und diese Trägheit können sie sich nur leisten, weil sie reich sind. Sie werden Opfer ihres Standes. Wenn sich darin nicht Gottes Gerechtigkeit spiegelt.
    – Vielleicht gibt es eine andere Erklärung. Prosaischer. Moralisch weniger ergiebig. Die vielen Aphrodisiaka, die sie schlucken, die dürften nicht ganz unschuldig sein.
    – Ihre Spezialität, Dick, ihre Spezialität.
    – Die Reichen dieser Insel? Süchtig nach Muntermachern. Als liege Sansibar unter einer Glocke der Impotenz. Ihr Lieblingspräparat? Eine Pille aus drei Einheiten Ambra und einer Einheit Opium, wobei die Opiumesser dieses nach dem Maß ihrer Abhängigkeit dosieren müssen. Jeder nimmt es ein, egal, ob er es braucht oder nicht.
    – Trägheit und Trieb, da haben Sie es. Zwischen diesen beiden Polen stirbt man dahin.
    – Fahren Sie heim, Konsul. Fahren Sie

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