Der Weltensammler: Roman (German Edition)
Wo waren wir gestern stehengeblieben?
– Hör zu, ich habe, weil ich meine Pflicht ernst nehme, alles Geschriebene gestern abend noch einmal gelesen, auf Fehler und Fragen durchgesehen. Du kannst dich nicht immer auf mich verlassen. Merke dir zukünftig selbst, was du mir schon erzählt hast und was du mir noch erzählen willst.
– Sie sind ein Tyrann, schlimmer als Shivaji. Sie können nicht so mit mir reden. Ich bedarf Ihrer Dienste, ja. Ich bin nicht Ihr Diener.
– Wir sollten keine Zeit verschwenden. Ich habe mich übrigens gefragt, wie dein Herr aussah, als ich deinen Bericht las. Das sollte ich erfahren.
– Wozu? Die Angrezi, an die sich das Schreiben richtet, wissen, wie er aussah, sie erinnern sich an ihn, bestimmt, keiner könnte ihn vergessen.
– Du verstehst von diesen Sachen wenig. Wie soll ich eine angemessene Sprache finden, wenn ich mir von diesem Burton Saheb kein Bild machen kann?
– Er war groß, fast so groß wie ich. Wuchtiger, wie ein schwarzer Büffel, der den ganzen Tag im Feld schuften kann. Genauso war er, unermüdlich. Seine Augen waren sehr dunkel, das fiel sofort auf. Ungewöhnlicher war, wie nackt sie wirkten. Ich muß Ihnen sagen, ich habe nie so nackte Augen gesehen wie jene von Burton Saheb. Sein Blick, er konnte einen einfangen. Ich habe erlebt, manche Menschen waren wie gebannt, als würden seine Augen zaubern. Wenn er zornig wurde, sah er mich an, als würde er mich nicht kennen, als würden bösartige Yakshas herausspringen. Es war zum Fürchten. Er wurde oft zornig, plötzlich, aus irgendeinem Grund, der uns nichtig erschien, völlig nichtig.
– Das hast du mir gestern schon gesagt! Schlug er dich?
– Nein! Schlagen? Wie könnte er, mich schlägt er doch nicht. Ich habe den Eindruck, Sie haben nicht verstanden, welche Position ich in dem Haushalt ausfüllte, was meine Rolle war. Sie haben das überhaupt nicht verstanden!
– Dann erzähle mir mehr von deinen Aufgaben.
– Ich habe alles für ihn erledigt, alles für ihn besorgt.
– Alles?
– Alles, was er von mir verlangte. Alles, was sich aufdrängte, und manchmal auch das, was er sich insgeheim wünschte.
– Beispiele! Gib mir Beispiele.
– Am Anfang die Einrichtung des Hauses, die kaputten Fenster, ich habe sie verglasen und mit Jalousien verhängen lassen. Die Gardinen, ich habe feines Kobbradul aufgetan, günstig, es war nicht meine Angewohnheit, das Geld des Herrn zu verprassen. Sie waren so schön, die Ehefrau des Brigadiers ließ mich fragen, wo ich den Stoff gekauft habe.
– Das werde ich betonen: Ein Fachmann für Kobbradul.
– Ich habe die Einkäufe erledigt, ich habe das Ganja besorgt, er rauchte gerne, abends, wenn er seinen Port trank …
– Port?
– Ja, Portwein, Sie wissen doch, was das ist?
– Gewiß, mußte sichergehen nur, ob ich richtig gehört habe.
– Das bringt mich durcheinander, wenn Sie mich unterbrechen, ich verliere meinen Gedanken, das ist nicht nötig, daß Sie das tun. Portwein, ach ja, und Bücher habe ich besorgt, er wollte alles lesen, und Kräuter und Henna und die Affen, diese unglückseligen Affen, die habe ich aufgetrieben. Das war eine Mühe …
– Affen?
– Und den Lehrer, der so wichtig für ihn wurde, den habe ich gefunden.
– Affen und Lehrer? Warte.
– Und Kundalini, sogar Kundalini habe ich …
– Warte, warte, warte! Wer ist Kundalini? Wovon redest du?
– Sie haben mich gefragt nach Beispielen.
– Erkläre sie mir.
– Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie Kenntnis von dieser Sache haben müssen.
– Wer von uns beiden hat mehr Verstand?
– Der Einfall mit diesem Brief, es ist sinnlos, die Hitze ist mir in den Kopf gestiegen.
– Nicht doch, Naukaram-bhai, nicht doch. Sie irren sich! Es ist höchst sinnvoll, es ist notwendig! Dieser Einfall ist der beste Einfall, den Sie seit langer Zeit gehabt haben. Sie haben zu mir gefunden, das ist gut, und nun haben wir einen weiten Weg vor uns, wir müssen geduldig sein, ich bringe Sie ans Ziel, vertrauen Sie mir. Erzählen Sie etwas anderes, etwas, auf das Sie stolz sind.
– Einen Lehrer zu finden, der etwas taugte, das war nicht so leicht. Burton Saheb hat sich auf mich verlassen, nachdem er es zunächst allein probiert hatte. Er hat bei seinen Leuten nach einem Munshi gefragt. Die konnten ihm nicht helfen. Sie kannten nur einfache Munshi, die schön schreiben können und einige heilige Texte kennen.
– Natürlich. Wer will schon wirklich etwas lernen.
– Burton Saheb wünschte,
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