Der Weltensammler: Roman (German Edition)
und sich bückten, um Kleidungsstücke aus dem Wasser zu ziehen. Ich konnte nicht dort stehenbleiben, als sei ich eine Weide, ich mußte mich zurückziehen, obwohl ich sie, die es mir angetan hatte, noch stundenlang hätte betrachten können.
Ich kehrte in unser Lager zurück, langsam, meine Gedanken auf einem kleinen Feuer, das sie nicht aufkochen und nicht zur Ruhe kommen ließ, und ich stellte fest, wie ungut es war, an diesem Tag in diesem Dorf keine Beschäftigung zu haben. Wohin ich auch blickte, ich sah nur die junge Frau vor mir, das lachende Mädchen mit einer Hose in der Hand, dann mit einer Kanzu in der Hand, den ernsthaften Blick, der plötzlich an die Stelle ihres Lachens getreten war, und ihr Hinterteil, ich weiß, ich rede wie ein junger Mann, der seine Zunge noch nicht gezähmt hat, aber ihr Hinterteil vertrieb alle anderen Gedanken aus meinem Kopf. Es war ein Unglück oder es war ein Glück, je nachdem, ob ihr mich fragt oder ob ihr sie fragt, je nachdem, wann ihr mich fragt und wann ihr sie fragt.
Was schreibst du?
Speke schon wieder. Die Klappe des Zeltes hält ihn nicht davon ab zu stören. Er weiß nicht, wie er sich die Zeit vertreiben soll; gleich wird er ein Problem mit ihm besprechen wollen, das er sichvor lauter Langeweile ausgedacht hat. Bin beschäftigt, Jack, dokumentiere die jüngste Etappe unserer Expedition.
Was gibt es da groß zu beschreiben? fragt Speke. Alles sieht gleich aus, eine einzige monotone Soße, egal, ob Wald oder Steppe. Und die Menschen sind noch langweiliger als die Landschaft, sie sehen überall gleich aus, und überall der gleiche dumpfe Ausdruck auf den Gesichtern, was verschwenden wir unsere Zeit, eine Karte dieses Landes zu zeichnen – der weiße Fleck, der beschreibt doch bestens, was sich uns hier offenbart.
Burton spürt, wie er seiner eigenen Zurückhaltung überdrüssig wird. Er hat es nie gelernt, den Mund zu halten. Weißt du, Jack, sagt er, es hätte mich mißtrauisch stimmen sollen, daß du in zehn Jahren Indien nicht mehr als dieses Gestammel von Hindustani gelernt hast. Rechtfertige nicht die Blindheit, zu der du dich selbst verurteilt hast. Gerade die Menschen sind das Interessante in diesem Land, du wirst es erleben, die Kunde von den Menschen wird die Wissenschaft der Zukunft sein für diesen Kontinent.
Du wühlst gern in jedem Morast, das ist mir schon aufgefallen, du verspürst eine perverse Faszination für Unkraut und Ungeziefer, das ist allgemein bekannt, so erkläre mir doch bitte, was war an dem heutigen Tag interessant, an diesem Dorf, in dem alle völlig besoffen waren. Das hast du doch gemerkt, Dick, oder? Deine Hellsicht wird doch nicht ein ganzes besoffenes Dorf übersehen haben? Dabei war es früher Nachmittag.
Nun, ich bin überzeugt, ein ganzes Buch könnte über dieses Besäufnis geschrieben werden. Über das Brauen des Hirsebieres etwa. Jeder Dorfbewohner ist sein eigener Braumeister, ist dir das zu Ohren gekommen? Oft übernehmen die Frauen diese Arbeit. Die Hälfte der Hirse wird in Wasser eingeweicht, bis sie keimt …
Mich interessiert es nicht, wie dieses Bier gebraut wird. Mich interessiert nur die Wirkung. Die Häuptlinge hatten mittags schon eine dicke Stimme, feurig-rote Augen und die zudringliche Art des Betrunkenen.
Und den Grund für das Besäufnis? Hast du den mitbekommen? fragt Burton.
Ja, ich kenne den Grund, und der macht das Ganze keineswegs erträglicher.In der Früh hat es ein Begräbnis gegeben, ein alter Mann wurde unter die Erde gebracht, und kurze Zeit später, als wir auftauchten, da war kein Anzeichen von Trauer zu spüren, im Gegenteil, es gab viel Gelächter und Frohsinn und Plauderei.
Wie in Italien, sagt Burton, das größte Fest des Lebens ist die eigene Beerdigung. Es gibt ein Lied im Mezzogiorno, das geht etwa so: Ach wie lustig ging es zu bei meiner eigenen Leich.
Völliger Humbug, Dick: Diese Wilden haben ihre Gelüste nicht unter Kontrolle. Wie kann sich ein ganzes Dorf am hellichten Tag besaufen. Kein Wunder, daß sie so arm sind.
Arm? Ja, arm sind sie, aber auch geistreich. Weißt du, was sie gesagt haben, als ich sie fragen ließ, wieso sie so ausgelassen feierten? Wegen des toten Mannes, sagten sie, wir freuen uns für ihn, denn er ist endlich dort angekommen, wo er schon eine ganze Weile hinzugelangen hoffte.
SIDI MUBARAK BOMBAY
Wir lagerten einige weitere Tage am Rande dieses Dorfes, denn Bwana Burton und Bwana Speke erlitten beide wieder schwere
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