Der Weltensammler: Roman (German Edition)
Fieberanfälle, und wir mußten uns alle ein wenig ausruhen, so konnte ich jeden Morgen zum Fluß gehen und die junge Frau betrachten, das es mir angetan hatte, und je mehr ich von ihr sah, desto mehr wollte ich sie haben, bis ich beschloß, ich verlasse dieses Dorf nicht ohne sie. Und so erkundigte ich mich bei dem Phazi des Dorfes, und er brachte mich zum Haus ihrer Eltern, und ich hockte vor dem Haus und unterhielt mich mit ihrem Vater, und mit seiner ersten Antwort machte er mir Mut, denn er erklärte sich bereit, mir seine Tochter zu geben, mit seiner zweiten Antwort raubte er mir die Hoffnung, denn er verlangte einen Brautpreis, den ich nicht aufbringen konnte, selbst wenn ich mir den Rest meines Soldes hätte auszahlen lassen. Ich konnte mich von meiner Sehnsucht nach diesem Mädchen nicht befreien, und ich wußte, ich würde mich für immer von ihr verabschieden müssen. In der Nacht hatte ich endlich wieder eine Aufgabe, ich mußte das Lager bewachen, ich lief herumund horchte nach ungewöhnlichen Geräuschen, ich saß auf einem Baumstamm, und dieser Baumstamm, es war bestimmt gewollt von demjenigen, der unser Schicksal lenkt, befand sich in der Nähe unseres Vorrats an Messingrollen. Dort saß ich, und mein Blick fiel immer wieder auf den Draht, und nach jedem meiner Rundgänge setzte ich mich an dieselbe Stelle und starrte den Messingdraht an, und ich dachte, wieso liegt dieses Messing gerade hier, wo ich sitze, und ich dachte, das ist doch erstaunlich viel Messing, wen stört es denn, wenn ein wenig Draht fehlt, wie kann es auffallen, wenn von dem vielen Messing ein kleines bißchen fehlt, und ich horchte, mal in die dunkle Nacht, mal in meine düsteren Gedanken hinein, und ich hörte einen Vorschlag, der so gut klang, und ich sah eine Lösung, die so einfach war. Natürlich hat mich Bwana Burton später des Diebstahls beschuldigt, aber er konnte ihn mir nicht nachweisen, und als er mich fragte, wie ich denn an das Mädchen gekommen sei, das am nächsten Tag mit uns aufbrach, habe ich behauptet, ich hätte an einem kleinen Geschäft mit dem Phazi genug verdient, um die Aussteuer zu zahlen, und obwohl er mir nicht glaubte, konnte er nichts tun, denn ich war ruhig und selbstsicher in meinen Antworten, nicht weil ich stolz war auf mein Verhalten, sondern weil ich wußte, ich hatte richtig gehandelt. Außerdem verließen sich die Wazungu inzwischen völlig auf mich, wenn sie mich verloren hätten, sie hätten die Verbindung zwischen sich und dem Land verloren. So konnte ich dieses Mädchen mitnehmen, das ihr alle kennt, manche unter euch als junge Frau, manche unter euch als Matrone, und das Mädchen, das es mir beim ersten Anblick angetan hatte, es erwies sich als guter Fang, nicht nur auf der langen Reise, die uns bevorstand, sondern auch in dem Haus in Sansibar, das wir nach unserer Rückkehr errichteten und mit Leben füllten, und so sage ich euch heute, als ich dieses Mädchen mit mir nahm, habe ich die größte Eroberung meines Lebens gemacht.
– Glaubt ihr ihm etwa? Glaubt ihr dieser verlausten Geschichte?
– Oh, oh, mein Flüstern hatte einen zu langen Hals.
– Eure Ohren sind eine Schande. Allesfresser sind sie. Abfalltrichter. Könnt ihr nicht unterscheiden zwischen den Geschichten, die sein Stolz ausschwitzt, sein Stolz, der größer ist als die Karawane,die er angeblich durch das ganze Land geführt hat, und den Geschichten, die seine Demut ihm gelegentlich aufzwingt? Habt ihr euch ein einziges Mal gefragt, wie ich diese Eroberung erlebt habe? Wieso habt ihr kein einziges Mal über die schöne junge Frau gestaunt – denn wenn er mich begehrte, dann begehrten mich auch andere –, die bereit war, mit ihm zu gehen, mit diesem Herumtreiber, der zwei verrückte Wazungu zu einem großen See begleitete. Oder zu zwei großen Seen, oder meinetwegen ans Ende der Welt. Mit einem Mann, der damals – das könnt ihr mir unbesehen glauben – kein bißchen besser aussah als heute. Im Gegenteil: Das weiße Haar, das sein Gesicht umgarnt – ja, dieser Süßkartoffelacker, den wir aus Höflichkeit Gesicht nennen –, das weiße Haar hat ihm etwas Anmut verliehen. Damals war er so ansehnlich wie ein Krokodil, und wenn ich sein Wesen näher gekannt hätte, dann hätte er mich auch an eine Hyäne erinnert. Ihr solltet mir mal zuhören. Dann würdet ihr erfahren, wie erbärmlich es ist, nur die Hälfte der Geschichte zu kennen. Meine Eltern, sie hatten zu viele Kinder, alle meine Geschwister waren sehr
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