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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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stillen. Mein Herr brauchte eine Begleiterin. Er tat nichts nebenbei, wie hätte er seine Lust mit gelegentlichen Ausflügen stillen sollen.
    – Er saß also nicht nur am Schreibtisch.
    – Ich habe mit ihr gesprochen. Ich habe mir viel Mühe gemacht, das Richtige zu sagen. Ich wollte sie nicht beleidigen. Sie sollte wissen, mein Angebot erfolgte aus Achtung. Sie war sofort einverstanden. Ich muß Ihnen sagen, es hat mich überrascht. Dann habe ich mich um alles Weitere gekümmert.
    – Um die Bezahlung, vermute ich.
    – Nicht nur das. Solche Beziehungen sind immer auf Zeit. Ich hatte mich umgehört. Ich mußte meinen Herrn schützen. Ich mußte ihn vor allem bewahren, was schiefgehen konnte. Ich setzte ein Dokument auf, sie unterschrieb es.
    – Wie?
    – Wie was?
    – Wie hast du es aufgesetzt? Du kannst nicht schreiben, wenn ich dich daran erinnern darf.
    – Sie sollten sich die Antwort denken können. Ich bin zu einem Lahiya gegangen.
    – Er war einverstanden, so eine Vereinbarung zu Papier zu bringen?
    – Wieso nicht. Es war gang und gäbe.
    – Wahrlich, wir müssen unser Land reinigen. Diese Mletscha tragen einen Schmutz in unser Land, der uns verdirbt.
    – Nun übertreiben Sie.
    – Du hast keine Ahnung, du warst ihnen ausgesetzt, du warst ihr Zögling, wer weiß, vielleicht bist du jetzt wie einer von ihnen.
    – Weil ich sie kenne, bin ich einer von ihnen? Das ist lächerlich. Wie steht es mit Burton Saheb? Er hat sich uns ausgesetzt. Er konnte, wenn er sich so anzog, wie ich angezogen war, als einer von uns durchgehen. Ist er jetzt einer von uns?
    – Da ist ein Unterschied zwischen Sichfremdwerden und Maskerade. Und zwar ein großer.
    – Ich weiß übrigens, Kurtisanen gab es bei uns schon immer, das steht sogar in den Puranas.
    – Wer hat dir das gesagt?
    – Egal.
    – Wer?
    – Burton Saheb.
    – Burton Saheb! Du vertraust, wenn es um unsere eigene Überlieferung geht, dem Wort eines Mletscha? Seit wann sind die Fremden Garanten unseres Wissens? Kurtisanen in den Puranas, ha, was für ekelhafte Lügen werden sie noch erfinden.
    – Sind Sie sicher, daß es nicht stimmt?
    – Lassen wir dieses Thema. Was hat denn diese Frau dir, oder euch, schriftlich zugesichert?
    – Sie versprach, keine Kinder zu bekommen.
    – Sie versprach es?
    – Sie wußte, wie sie es anstellen sollte.
    – Laß mich raten. Mit Kashunüssen? Wollte sie eine Papaya verzehren, jedesmal, wenn sie vermutete, sie könnte schwanger sein?
    – Nein. Sie kannte wirksame Mantras, und sie besaß einen Talisman. Außerdem bereitete sie eine Mischung zu, aus Kuhdung, einigen Kräutern, Zitronensaft und Saft von irgendwelchen anderen sauren Früchten und etwas Natron, wenn ich mich recht entsinne.
    – Und einer Hühnerkralle.
    – Wie bitte?
    – Nichts. Du hast mit ihr vereinbart, was zu vereinbaren war. Wir können dich als Kuppler weiterempfehlen. Übrigens, die Arbeit wächst, die du mir aufbürdest, wir werden uns auf ein höheres Honorar einigen müssen. Ich denke, acht Rupien werde ich mindestens benötigen.
     
     
     
    14.
    DER HERR DER HINDERNISSE
     
    Einige wenige durften für das Vaterland sterben. Die anderen beklagten allabendlich in der Regimentsmesse die Opfer, die ihnen abverlangt wurden. Elf unerträgliche Monate, so deklamierten sie, und einer, der noch schlimmer war: der Mai. Burton war von der Hitze gelähmt. Seine Gedanken versickerten. Er lag auf dem Bett, nur noch in der Lage, das Thermometer zu betrachten. Mit schlierigen Augen. Das Bett befand sich mitten im Raum, zu allen Seiten umschleiert von hellgrüner Rohseide. Wenn er seinen Arm ausstreckte, konnte er seine Hand in eine Kupferschale mit kühlem Wasser tauchen. Einer der Diener tauschte das Wasser jede Stunde aus. Über ihm drehte sich ein Pankah aus Holz und Stoff. Er wußte, der Ventilator war über eine Schnur, die durch die Wand ging, mit dem großen Zeh einer jener stillen, dunklen Gestalten verbunden, dessen alleinige Aufgabe darin bestand, das Bein zu strecken und anzuwinkeln, so daß ihm, dem Saheb, Luft zugefächelt wurde. Draußen war keiner unterwegs. Er mußte sein Haus nicht verlassen, um sich zu vergewissern, die Stadt ist so gelähmt wie er selber. Ein fiebriger Glutofenwind fegt das Leben von der Ebene. Die Wolken sind aus Staub. Es riecht nach Schnupftabak. Baroda ist der Lethargie verfallen, in diesem letzten Monat vor dem erlösenden Regen, die Pferde stehen angepflockt mit gesenkten Häuptern und vorgestülpten Unterlippen, zu

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