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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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angehängter Gedanke. Sie bewegte sich nicht, und er, am Fenster stehend, beobachtete sie still. Natürlich, Naukaram würde sie nicht ins Haus lassen – wer immer sie war, eine Schwester vielleicht, oder seine Geliebte, nein, das war äußerst unwahrscheinlich –, bevor er ihn nicht um Erlaubnis gefragt hatte. Die Spitzen ihrer Haare berührten das Gras. Um dieses Haar, schwarz wie glänzende Kohle, wenn es so unbewegt hinabhing, beneidete er die Einheimischen. Blonde Haare waren eine Verirrung der Natur, Ausdruck eines unüberlegten Drangs zur Abwechslung. Ihre Bluse war heller im Blau, wie Meerwasser in Strandnähe. Wo der Ärmel der Bluse endete, zeichnete sich die leichte Andeutung eines Muskels ab. Vielleicht täuschte er sich, vielleicht waren ihr die Ärmel zu eng. An ihrem Handgelenk hingen einige Silberreife. Es klopfte an der Tür. Er löste sich vom Fenster und nahm an seinem Schreibtisch Platz, bevor er Naukaram hereinbat. Saheb, ich möchte Ihnen jemanden vorstellen, verzeihen Sie die Störung, einen Gast. In welcher Angelegenheit, Naukaram? Ein Kennenlernen, Saheb, keine Angelegenheit, Sie werden es nicht bereuen, glauben Sie mir.
    An ihrem Gesicht fiel ihm zuerst das Bindi auf der Stirn auf, ein den Farbtönen ihrer Kleidung angepaßter Punkt, ein konzentriertes Blau. Ihr Gesicht war dunkel, und es war schmal. Naukaram stellte sie vor, auf Englisch, er pries sie an, als wollte er sie verkaufen. Die Situation war unangenehm und aufregend zugleich. Einmal rutschte ihre Unterlippe unter die Vorderzähne und sofort wieder heraus, so schnell, er war sich nicht sicher, ob er es wirklich gesehen hatte. Er stellte ihr einige höfliche Fragen, und erst einige Antworten später richtete sie ihren Kopf auf. Ihr Blick war weniger unterwürfig als ihre Körperhaltung, ihre Augen schwarz in weiß, wie Onyxstein, eingefaßt im Kajal. Nur einen Makel hatte ihr vollendetes Gesicht: Weit oben auf der Stirn, nahe dem Haaransatz, krümmte sich eine kleine Narbe wie ein Neumond. Er verstand nicht, was Naukaram sagte, er hörte nicht mehr zu, er nickte einmal mit dem Kopf, als sie sich abwandte und Naukaram nach draußen folgte. Sie ließ einLächeln zurück, so klein wie die umgeknickte Ecke einer Seite in einem Buch. Naukaram kehrte umgehend zurück.
    – Naukaram, was sollte das?
    – Ich war der Ansicht, Sie begehrten die Gesellschaft einer Frau.
    – Und du hast angenommen, ich sei nicht in der Lage, mich selber darum zu kümmern?
    – Sie sind vielbeschäftigt, wieso sollten Sie sich auch noch diese Aufgabe aufbürden.
    – Soso.
    – Gefällt Sie Ihnen nicht?
    – Sie ist bezaubernd. Und außerdem hast du recht, wie sollte ich eine Frau finden.
    – Vielleicht, wenn Sie ausprobieren wollen, für einige Tage, ob ihre Gesellschaft Ihnen Freude bereitet?
    – Ich bin solche Arrangements nicht gewohnt.
    – Sie müssen sich um nichts kümmern, Saheb. Ich werde alles übernehmen, was Ihnen peinlich vorkommen könnte. Sie müssen nur genießen.
    Aber es war mehr an dieser Frau als nur das verläßliche Versprechen von Genuß.
     
     
     
    13.
    NAUKARAM
     
    II Aum Bhaalchandraaya namaha I Sarvavighnopashantaye namaha I Aum Ganeshaya namaha II
    – Sie sollten über Kundalini Bescheid wissen, ich habe nachgedacht. Es ist nichts, was ich verstecken muß.
    – Siehst du mich schreiben? Nein! Ich werde nur zuhören.
    – Ich habe sie in einer Maikhanna gefunden. Ich habe sie dort gesehen, sie hat bedient. Sie hat mir meinen Becher gebracht, Milch mit Bhang, meine Vorliebe. Ich habe nie Daaru getrunken, ich hasseAlkohol. Sie wissen es vielleicht nicht, die Frauen dort sind sehr ansehnlich, und sie können tanzen. Wenn ein Gast ihnen gefällt und wenn der Gast etwas Geld auf den Tisch legt, tanzen sie vor ihm, für ihn. Ich habe sie beobachtet. Ich dachte, es wäre wunderbar, wenn sie für mich tanzen könnte. Ich konnte es mir leisten, also kehrte ich zurück, ich legte Geld auf den Tisch. Und sie tanzte. Nur für mich. Als sie mir in die Augen blickte, gab sie mir den Eindruck, ganz nahe bei mir zu sein, und gleichzeitig, sie nie berühren zu können. Sie war wie der Pipalbaum in der Dorfmitte …
    – Übertreibst du nicht ein wenig?
    – Vielleicht. Es ist nicht von Bedeutung, woran sie mich erinnerte. Wichtig ist nur, als sie mit dem Tanz aufhörte, hatte sich ein Gedanke in meinem Kopf eingenistet. Sie war eine Frau, ich konnte sie mir neben Burton Saheb vorstellen, sie würde seinen Durst nach dem Ungewöhnlichen

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