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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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möglichst komfortables Heim bereiten. Ich war allein in dieser Wüste. Der einzige, mit dem ich mich unterhalten konnte, war Burton Saheb. Mit den Beschnittenen ist kein Gespräch möglich, selbst wenn wir eine gemeinsame Sprache gehabt hätten. Ihre Gesichter sind wie eine Festung, ihre Augen wie zwei Kanonen, die immer auf dich zielen. Meine Aufgabe war gewaltig. Ich muß Ihnen sagen, ich war ihr durchaus gewachsen. Burton Saheb wollte sogar während der Sandstürme lesen und schreiben. Er saß an seinem Klapptisch, ich legte ihm ein kühlendes Tuch auf den Kopf. Ich wischte den Staub auf, der durch die Ritzen des Zeltes drang. Wenn der Staub ihm in die Augen geraten wäre. Das war so schmerzhaft, als hätte jemand einem Chilipulver in die Augen gestreut. Es war schwierig zu schreiben. Die Tinte an der Spitze der Feder verklumpte, das Papier wurde schnell staubig, ich kam nicht nach mit dem Wischen. Ich stand hinter ihm, und alle paar Minuten beugte ich mich über seine rechte Schulter und strich mit einem Tuch über das Blatt, das er gerade beschrieb. Er lachte einmal und sagte, ich sei wie ein Helfer, der dem Musiker die Noten umblättert. Wußten Sie, daß die Angrezi Musik von Blättern ablesen? Wenn er aufstand, mußte ich alles in die Truhen packen. Wenn ein Blatt einen Tag lang liegenblieb, sah es aus wie eine Paratha. Es war nicht in Teig gehüllt, nein, in den verfluchten Staub des Sindh.
     
     
     
    16.
    DER RAUCHFARBENE KÖRPER
     
    Er würde die Nacht mit einem Fußtritt vertreiben. Den letzten Albtraum verjagen. Draußen spuckte ein Einzelgänger zwischen knirschenden Schritten; er schien es eilig zu haben, als erster auf die Dämmerung zu treffen. Krähen zerrissen die verbleibende Stille mit rauhen Schnäbeln. Er stand am Fenster und drückte seine Stirn gegen den Maschendraht. Jemand zündete ein Feuer an, eine Begrüßung, und die Vorbereitung für den ersten Tee des Tages. Der Geruch von Dung strich über die dampfenden Felder wie eine ungewaschene Hand. Die Luft war kühl, eine Spur feucht. Er hörte Naukaram die Tür öffnen und das Tablett abstellen. Er tastete sich zur Kanne vor, goß den schwarzen Tee in die Tasse und tröpfelte etwas Milch hinein. Als er die Tasse zum Mund führte, merkte er, daß die Dämmerung in das Zimmer geschlichen war. Als schäme sie sich, die Nacht woanders verbracht zu haben. Er genoß die Wärme der Tasse in seinen Händen, dann spürte er, wie sie ihre Brüste an seinen Rücken drückte. Das war ihre Art, ihn zu begrüßen. Möchtest du einen Schluck Tee, fragte er. Obwohl er wußte, daß sie ablehnen würde. Er konnte das Bett mit ihr teilen, nicht aber die Teetasse. Sie aß nie mit ihm zusammen. Sie lebten auf demselben Grundstück, doch er mußte seine Mahlzeiten alleine einnehmen. Das gehört sich so, hatte sie gesagt. Sie verweigerte sich seinen Aufforderungen und Einladungen genauso, wie sie es bislang abgelehnt hatte, die ganze Nacht mit ihm zu verbringen. Wenn du aufwachst, bin ich wieder da. Sie hielt ihr Versprechen – sie hielt Distanz. Sie verlangte, anders als die Kurtisanen, denen er bislang beigewohnt hatte, daß er alle Lichter lösche, bevor sie sich auszog. Das war ihre Bedingung gewesen, von Anfang an. Er akzeptierte ihren Wunsch, er empfand ihn als Ausdruck von Intimität. Der Mond war ihm beim ersten Mal von zarter Hilfe gewesen. Ihrer Haut galt sein Handmerk. Er versuchte sie auf den Mund zu küssen, sie verschloß ihre Lippen. Es erregte ihn, daß sie sich ihm hingab, ohne sich zu öffnen. Sie erwies sich als geschickt, geübt wie die anderen Kurtisanen.Er mußte an nichts denken, keine Entscheidungen fällen, sie erfüllte seine Bedürfnisse, bevor er sie aussprach. Ich sehe ihr bei der Arbeit zu, ging ihm durch den aufgerichteten Kopf, ein ernüchternder Gedanke, der seinem Orgasmus eine stumme Geburt bescherte. Danach, er hatte seine Augen noch nicht wieder geöffnet, stand sie sofort auf, er hörte den verstummenden Klang von barfüßigen Schritten. Sie kehrte nicht zurück. Nach einigen solchen Nächten setzte er Naukaram davon in Kenntnis, daß Kundalini in das Bubukhanna einziehen würde. Naukaram hatte sich gefreut, eine ehrliche Freude, so schien es Burton, und er war gerührt, daß Naukaram um sein Wohlergehen besorgt war. Eines Nachts, denn nur in der Nacht war es kühl genug, die Haut eines anderen Menschen zu ertragen, hielt er sie am Arm fest, als sie aufstehen wollte. Sie protestierte. Ich muß zurück, sagte sie. Nur ein

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