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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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faul, die Fliegen wegzuschweifen, und nebenan schnarchendie Stallburschen, das Geschirr, das sie zu säubern haben, ist ihnen aus den Händen gefallen. Selbst die Krähen hecheln nach Luft. Du mußt alle Funktionen deines Körpers einschränken. Vermeide jede überflüssige Bewegung. Mache dir die Diener zunutze, stell dir vor, sie seien deine Glieder und deine Organe. Der Mann hatte recht, bestimmt, Burton könnte sich an seine Empfehlung halten, wenn er es überhaupt nicht mehr aushielt, er könnte nach Naukaram rufen, er könnte seine lose Baumwollkleidung ausziehen und sich in den Baderaum begeben, wo einige der Diener Wasser aus porösen Tonkrügen über ihn schütten würden. Danach könnte er lesen.
    Er hatte sich inzwischen umgesehen, in Baroda und in der Umgebung, er war überall gewesen, überall dort, wohin er als britischer Offizier gelangen konnte, er hatte schon gesehen, was die wenigsten seiner Kameraden gesehen hatten. Er war unzufrieden. Von seinem Pferd herab wirkten die Einheimischen wie Figuren aus einem Märchenbuch, das in ein verarmtes Englisch übersetzt worden war. Und wie er selber wirkte, das konnte er sich vorstellen: wie ein Denkmal. Deshalb erschraken sie, wenn der bronzene Reiter das Wort in ihrer Sprache an sie richtete. Solange er ein Fremder blieb, würde er wenig erfahren, und er würde ewig ein Fremder bleiben, wenn er als Fremder wahrgenommen wurde. Es gab nur eine Lösung; sie gefiel ihm auf Anhieb. Er würde die Fremdheit ablegen, anstatt darauf zu warten, daß sie ihm abgenommen wurde. Er würde so tun, als sei er einer von ihnen. Dazu bedurfte es nur noch eines geeigneten Anlasses. Es würde ihm nicht schwerfallen, das war das Aufregendste an dieser Einsicht. Die Distanz, die zu überwinden war, schien ihm gering. Menschen messen Differenzen so große Bedeutung bei, und doch werden diese von einem Umhang weggezaubert, von dem nachgeahmten Zungenschlag verscheucht. Schon die richtige Kopfbedeckung konnte Gemeinsamkeit begründen.
    Ein Sandsturm kündigte sich an. Bald rauschten schwarze Wolken über die Erde mit gierigen Mäulern. Der Sand drang durch jede Öffnung, durch jede Ritze, hinterließ eine dicke Schicht auf allem. Die Bettlaken waren braun, er hätte mit dem Zeigefinger sein Kopfkissen signieren können. Der Wirbelwind schluckte Abfälle, zerrißZeltplanen und stob Getreide auseinander, bis er plötzlich zusammenfiel, vom Irrsinn ausgelaugt, und alle Sachen, die er entrissen hatte, zu Boden plumpsen ließ.
     
     
     
    15.
    NAUKARAM
     
    II Aum Vigneshvaraaya namaha I Sarvavighnopashantaye namaha I Aum Ganeshaya namaha II
    – Alles änderte sich zum Schlechten, als wir in den Sindh versetzt wurden. Die Leute dort, sie sind wild und brutal, und sie hassen Fremde von ganzem Herzen.
    – Ich habe noch einige Fragen über Baroda vorbereitet. Wir sollten zuerst auf sie eingehen.
    – Es gab Sandstürme zu jeder Tageszeit.
    – Mir ist noch einiges unklar.
    – Es war unerträglich. Wie bei uns der Mai. Vor allem, wenn ich das Essen servieren wollte. Ich mußte alles abdecken. Wenn die kleinste Ritze offengeblieben wäre, das Essen hätte zwischen den Zähnen geknirscht. Und der Staub überall.
    – Ich bin noch nicht fertig mit dem vorherigen Kapitel.
    – Kapitel? Was für Kapitel?
    – Eine Redewendung. Sieh mich an. Fällt dir nichts auf? Ich schreibe gar nicht mit.
    – Wir hatten keinen Bungalow mehr. Nur zwei Zelte, die mitten in einer sandigen Ebene errichtet wurden.
    – In Ordnung. Wie du willst. Wir werden später nach Baroda zurückkehren. Wieso hattet ihr kein Haus?
    – Burton Saheb hatte nicht genug Geld. Er erhielt zweihundert Rupien im Monat, das reichte nicht aus, um ein Haus zu bauen, vor allem, wenn einer so viel Geld für Bücher ausgibt wie er.
    – Die Offiziere mußten ihre Unterkunft selber zahlen?
    – Ja. Und auch selber organisieren. Natürlich hätte ich das erledigt. Aber es lohnte sich nicht, weil Burton Saheb bald eine Arbeit zugeteilt wurde, die ihn durch das Land führte. Wir lernten, ein normales Leben in der Bewegung zu führen. Das stellte große Anforderungen an meine Fähigkeiten, mich anzupassen, das Beste aus dem Vorhandenen zu machen. Und vergessen Sie nicht, ich war plötzlich allein. Ich hatte keine zwölf Helfer mehr an meiner Seite. Schreiben Sie das auf. Es gab nur einen Koch, und einen Jungen, der aushalf. Eigentlich unnütz. Anstatt eines ganzen Hauses, mußte ich sieben Truhen verwalten und aus sieben Truhen dem Saheb ein

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