Der Weltensammler: Roman (German Edition)
obwohl fast fünf Jahre vergangen sind. Sein Sohn hat die Tür aufgemacht. Ein hochgewachsener Mann. Der Lehrer war so klein. Er war in Trauer, der Sohn. Seine Mutter ist gestorben. Und seinVater, sagte er, sei in einen Ashram gegangen. Irgendwo am Ganges. Der Sohn war freundlich, wie seine Mutter. Er hat seine Hilfe angeboten. Ich bin schnell weggegangen. Wie sollte er helfen? Hilfe von Menschen, die nicht wirklich helfen können, das verstärkt die Erniedrigung. Der Barbier unten, neben dem Eingang, es war noch der selbe Mann. Er hat mich nicht wiedererkannt. Und wennschon. Was hätte er bestätigen sollen?
– Die Zeiten sind schwierig, das wird keiner bezweifeln. Es ist mir unangenehm, gerade jetzt dieses Thema anzuschneiden, aber wir haben mein Honorar etwas aus den Augen verloren. Es hat sich einiges angesammelt, eine nicht unerhebliche Schuld. Zehn Rupien, ich habe es gestern abend zusammengerechnet. Ich habe einen Vorschlag, wenn Sie erlauben, der uns beiden dient, denke ich. Wir sollten einen Betrag vereinbaren, der den gesamten restlichen Auftrag umfaßt. Egal, wie lange es noch dauert.
– Bestimmt haben Sie sich auch Gedanken gemacht über die Höhe dieses Betrags.
– Ich würde vorschlagen, Sie zahlen noch einmal sechzehn Rupien. Und dann reden wir kein einziges Mal mehr über Geld.
38.
WER DAS OPFER ANNIMMT
Niemals erzählte sie von sich. Es war ein Fehler, sie im Schlafzimmer zu bedrängen. Sie hielt ihn auf Distanz, indem sie ihn erregte. Wenn sie ihre Lippen zurückzog, konnte er seinen Blick nicht von ihrem Mund losreißen. Während sie von oben ihre Hüften auf ihn drückte, starrte er auf die Verheißung ihres Mundes, auf den schimmernden Ausdruck ihrer Stummheit, ihr Zopf löste sich auf – sie stürzte sich in den Trieb, soviel verstand er, wenn die Trauer in ihr alles andere zu lähmen drohte –, sie atmete schwer, ihr Halsband riß, die Perlen kullerten über ihre Brüste auf ihn herab. Er schauteüberall hin, auf alles, seine Augen hasteten über ihrer beider Lust. Sie atmete schwerer, er verriet, wohin er hastete, und schwerer, und er, er war wenige Empfindungen entfernt, als sie innehielt, sie bewegte sich nicht mehr, sie ließ ihre Hände auf seiner Brust liegen, und sie begann zu sprechen, während sie auf seinem pulsierenden Staunen sitzen blieb, sprach in vollständigen Sätzen, in einem vertrauten Tonfall, der beiläufig erzählte und doch seine ganze Aufmerksamkeit einforderte. Er mußte seine Stöße besänftigen, um ihren Worten folgen zu können, die einen Weisen beschrieben, einen Brahmanen namens Auddalaka, der als junger Mann initiiert wurde in alle Formen der vedischen Rituale, auch in jene, bei denen die Vereinigung zwischen Mann und Frau als Opferung gefeiert wurde. Doch eines Tages begehrte Auddalaka, der so versiert über die Symbolkraft der Vulva referieren konnte, eine Studentin namens Vijayaa, und er fädelte es ein, daß sie sich im Rahmen des Ritus vereinten, doch es reichte ihm nicht aus, er sehnte sich nach einer Vereinigung außerhalb des Rituals, und so kamen sie zusammen, diese zwei jungen Menschen, und die Lust und das Vergnügen, das sie sich gegenseitig bereiteten, übertrafen alles andere, nahmen eine Bedeutung ein, die das Ritual überragte, durch das die Menschen Zugang zu den Göttern aufrechterhielten. Kundalini verstummte. Und? fragte Burton. Bislang hast du jede Geschichte zu Ende geführt. Sie schwieg. Ihr Schweigen grub sich in ihn hinein. Er senkte seinen Blick, auf die feine Haarlinie, als krieche eine Reihe winziger Ameisen von ihrem Schambein über ihren Bauch bis zu ihrem Nabel und darüber hinaus bis zu der kleinen Kuhle zwischen ihren Brüsten. Seine Hand glitt über diese Härchen, ihr stolzes Romaavali, das gleichsam magisch, so behauptete sie, die Erde mit dem Himmel verbindet. Das zuverlässigste Merkmal ihrer Schönheit, so glaubte sie. Er konnte nicht zustimmen, aber sie hätte sich eher umgebracht, als diese Härchen herauszuzupfen. Seine Hand folgte der Verbindung zwischen ihrem Herzen und ihrem Schoß. Als sie sich wieder anschauten, vermeinte er in einem tieferen Teich ihrer Augen ein Aufflackern von Zuneigung zu entdecken. Er lächelte sie an, und seinem Lächeln entnahm sie wohl, was ihre Augen zuviel versprochen hatten, denn sie begann sich wieder zu bewegen, sie schubsteihn in den Bereich ihrer Dominanz, und sie war gieriger als sonst, gierig zu kratzen und zu beißen, als könne sie den Geschmack seines
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