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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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namaha II
    – Du hast sie geliebt.
    – Ja, das habe ich Ihnen schon gesagt.
    – Sie war deine Geliebte. Ihr wart zusammen, sie lag in deinen Armen, ihr wart vereint.
    – Woher wissen Sie das?
    – Ich habe lange nachgedacht. Mir liegt deine Geschichte am Herzen. Meine Ehefrau behauptet sogar, ich vernachlässige meine Aufgaben als Herr des Hauses.
    – Am Herzen? Was bedeutet das? Wenn jemand sagt, du liegst mir auf der Tasche, das verstehe ich. Was für Almosen gibt das Herz?
    – Herz hin oder her, die Angelegenheit war verzwickt zwischen euch beiden.
    – Es geht nicht mehr um das Empfehlungsschreiben, oder?
    – Hast du sie besessen, bevor du sie mit Burton Saheb verkuppelt hast?
    – Die Worte, die Sie benutzen … sie stimmen nicht.
    – Ich will es wissen!
    – Ja. Ich habe sie besessen. Davor und danach.
    – In seinem Haus?
    – Ja. In seinem Haus, in unserem Haus. Sind Sie jetzt zufrieden!
    – Wenn er da war?
    – Manchmal, nachts, zuerst war sie bei ihm und dann bei mir. Meist wenn er auf Reisen war, in Mhow, in Bombay. Einmal mußte er nach Surat.
    – Hast du dich nicht geschämt?
    – Wieso ich? Er hätte sich schämen sollen. Sie verstehen nicht, er hat nach ihr gelüstet, er gierte nach ihr. Ich habe sie geliebt, wirklich geliebt, ich will nicht lügen, wenn sie und ich alleine waren, habe ich reagiert wie jeder Büffel, es hätte ungeheuer viel Tapas bedurft, ihr zu widerstehen. Ich gebe es zu, doch das ist nicht das Entscheidende. Ich habe sie verehrt, er hat sie in den Dreck gezogen.
    – Und die anderen, die Diener?
    – Sie wußten alles, wie sollte ich es vor ihnen verheimlichen?
    – Wenn sie etwas verraten hätten?
    – Sie waren von mir abhängig. Sie hätten sich so etwas nicht getraut.
    – Du warst also beglückt von der Situation, die du geschaffen hast?
    – Nein, ich war nicht beglückt. Es ist etwas geschehen, ich habe es nicht erwartet. Ich konnte es nicht vorhersehen. Das Schlimmste, was geschehen konnte.
    – Ich weiß. Glaubst du, ich hätte vergessen, daß sie gestorben ist.
    – Davor, davor noch. Für mich ist sie mehrmals gestorben. Sie hat sich mir verweigert, auf einmal.
    – Körperlich?
    – Sie hat mir keine Erklärung gegeben. Ich hatte ihr nichts getan. Zuerst hat sie mich abgewiesen, einige Male, sie war krank oder müde, ich habe sie in Ruhe gelassen. Ich habe sie geachtet. Dann sagte sie zu mir, sie will nicht mehr mit mir alleine in einem Zimmer sein, sie will nicht mehr, daß ich sie anfasse.
    – Sie hat dem Firengi gegenüber mehr Liebe verspürt.
    – Liebe? Sie wissen nicht, wovon Sie reden. Ihre Liebe war immer nur vorgetäuschte Liebe. Falsche Liebe.
    – Wieso hat sie dich dann verschmäht? Falsche Liebe ist doch grenzenlos.
    – Sie hat sich ausgemalt, sie könnte den Saheb einfangen. Er war von ihr abhängig, inzwischen, sie hat sich ausgerechnet, wie viele Juwelen diese Abhängigkeit wert sein könnte. Sie wollte diese Ausbeute nicht aufs Spiel setzen. So eine Frau liebt nur den Gewinn.
    – Hast du auch so gedacht, bevor sie sich dir verweigert hat?
    – Sie hätte mir das nicht antun dürfen.
    – Wenn sie so berechnend war, wie du sie hinstellst, dann hat sie sich dir hingegeben, weil es nötig war.
    – Ich habe sie geachtet.
    – Wenn sie aber lieben konnte.
    – Sie konnte nicht.
    – Du urteilst ungerecht. Ich habe sie nicht gekannt, aber wenn es stimmt, was du sagst, wenn sowohl du wie auch der Firengi so starke Gefühle für sie empfunden habt, muß sie diese Gefühle, zumindest teilweise, erwidert haben. Oder habt ihr euch nur in eine Schimäre verliebt? Mir kommt es so vor, als hätten sich zwei Blinde eine Frau geteilt, die unbedingt gesehen werden wollte.
     
     
     
    36.
    EINE MINE DER TUGEND
     
    Etwa vor neunzehn Jahrhunderten, wenn Sie aufgepaßt haben, mein Shishia, dann wissen Sie inzwischen, bei uns kommt es auf das eine oder andere Jahrhundert nicht an, vor langer Zeit also wurde in der ruhmreichen Stadt Ujjayini, die heute Ujjain heißt, ein Prinz geboren, der einen Namen trug, der ihn zu allem ermächtigte, ein Name, der viel zu groß war für einen einzigen Menschen, und der in dem Bestreben verliehen worden war, der ausgezeichnete Mensch würde über sich hinaus in den Namen hineinwachsen, eine hohe Hoffnung, die sich selten erfüllt, denn in den meisten Fällen verschlingt der Name den um einiges kleineren Menschen. Sie fragen sich, wie er hieß, wie dieser große Name lautete, nicht wahr? Es war Vikramaditya. Sie sind ein

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