Der Weltensammler: Roman (German Edition)
habe gehört, der Staub von liegengebliebenen Büchern sei giftig, er setze sich fest in den Lungen, und wer einmal davon befallen ist, muß ein Leben lang husten.
– Wird nicht halb so schlimm sein.
– Oh, und ich vergaß zu erwähnen, das Kamasutra ist in einem altertümlichen Sanskrit verfaßt.
– Was halten Sie von zwei Tagen Sanskrit die Woche?
– In Sutras, deren Sinn sich nur demjenigen erschließen, der nicht nur die Sprache, sondern auch die damalige Zeit hervorragend kennt.
– Das trauen Sie Ihrem besten Shishia nicht zu?
– Ich werde es mir überlegen müssen. Das Kamasutra , sie läßt sich leicht mißverstehen.
– Können Sie mir nicht wenigstens eine Sutra beibringen? Als Vorgeschmack.
– Ein Sutra kann nicht schaden. Lassen Sie mich nachdenken, mein Shishia, welches sich eignet für einen Mann Ihres Kalibers. Ichwerde Ihnen etwas beibringen aus dem sechsten Kapitel, dem Kapitel über die Kurtisanen. Diese Frauen, sagt Vatsyayana, und eigentlich faßt er nur zusammen, was vor ihm Dattaka formuliert hat, und dessen Weisheiten basierten gewiß auch auf den Schriften seiner Vorgänger, sie zeigen sich nie in ihrem wahren Licht, sie verbergen stets ihre Gefühle, ob sie den Mann lieben oder ob sie nichts für ihn empfinden, ob sie mit ihm zusammen sind, weil er ihnen Vergnügen bereitet oder um ihm den gesamten Reichtum abzunehmen, den er besitzt.
37.
NAUKARAM
II Aum Shubhagunakaananaaya namaha I Sarvavighnopashantaye namaha I Aum Ganeshaya namaha II
– Du bist spät.
– Ich habe kein Geld mehr für eine Tonga.
– Immer noch keine Arbeit gefunden?
– Nein, nichts.
– Das Schreiben, das muß doch Eindruck erweckt haben?
– Ich werde weggejagt, bevor ich es präsentieren kann. Es muß erst noch von jemandem gelesen werden, Ihr großartiges Schreiben, wenigstens von einem einzigen dieser Firengi. Ich habe einen Fehler gemacht. Von wegen erfahren im Umgang mit den Firengi. Ich habe mir etwas darauf eingebildet. Ich bin lächerlich, ich weiß. Ich habe angenommen, sie würden Interesse zeigen. Wie komme ich darauf? Weil ich es bin, Naukaram, der Mann, der so vieles erlebt hat, der so viel gelernt hat, der sich so verändert hat. Und was sehen die Firengi, die mich nicht kennen? Sie sehen mich nicht. Natürlich nicht. Burton Saheb hätte mich nicht abgewiesen. Meine Geschichte hätte seine Neugier geweckt. Er hätte sich wenigstens einige Minuten Zeit genommen. Ich bin verzweifelt.
– Nicht doch, nicht doch, Bhai-Saheb. Es muß nur einer dieser Firengi in das Schreiben hineinschnuppern, das wird seinen Appetit wecken.
– Es muß nur einer von ihnen die vielen Blätter in die Hand nehmen, richtig? Ist es das, was Sie sagen? Es muß nur einer zu lesen beginnen. Was wird er dann tun? Er hat sie mir ins Gesicht geworfen. Was ich mir einbilde, sagte er, meinen Dienst bei einem Offizier zu einem dicken Märchen aufzublasen.
– Das ist nicht wirklich geschehen.
– Es ist geschehen. Die Blätter sind jetzt schmutzig. In dem Haushalt wird wohl nicht richtig geputzt. Gerade der hätte mich gebraucht. Es war der benachbarte Bungalow. Unser Haus steht leer. Der Garten ist verwildert. Es geht das Gerücht um, der Geist einer Frau spuke dort. Wir beide, wir haben ein dickes Märchen zustande gebracht. Wer soll es jetzt füttern? Das war der einzige Firengi, den ich gesehen habe. Ansonsten ließen sie mir ausrichten, das sie meiner nicht bedürfen. Gibt es denn so viele gute Diener in der Stadt, inzwischen? Aufgeblasene Goaner, Sie wissen schon, jene Kreaturen, die sich wie die Firengi kleiden und ein Kreuz um den Hals tragen, das sie beim Laufen behindert. Er hat mich in der Sonne warten lassen. Sein Herr habe keine Lust, etwas zu lesen. Dafür sei es zu heiß. Wo käme er hin, wenn er alles lesen würde, was Dahergelaufene antragen. Ich glaube kaum, daß der Firengi so viele Wörter verschwendet hat. Wie oft kommt es denn vor, fragte ich ihn, daß jemand mit einem Schreiben in der Hand vor der Tür steht? Der Goaner hat sich einen Spaß daraus gemacht, mich vor den Kopf zu stoßen. Ich solle mich einen Tag lang in der Küche nützlich machen, schlug er vor, dann werde der Haushalter sehen, ob ich etwas tauge. Es war so erniedrigend.
– Nicht den Mut verlieren.
– Sie haben leicht reden. Ich weiß, wie leicht sich die Sorgen eines anderen Menschen ertragen lassen. Ich habe sogar den Lehrer aufgesucht, Shri Upanitsche. Ich habe gehofft, daß er sich an mich erinnert,
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