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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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guter Schüler, ich muß Ihnen den Sinn nicht übersetzen. Ein erhabener Name, etwas zu erhaben für den Alltag. Er wurde zu Vikram abgekürzt, nicht weil die alten Geschlechter an Zeitmangel gelitten hätten, sondern weil die kürzere Form den jungen Mann zu überschaubareren Heldentaten herausforderte. Schon als Prinz wurde unser Held Vikram genannt, und als König Vikram ist er durch die Generationen bekannt geblieben. Ihr Engländer würdet seinen Namen wohl weiter kürzen, zu Vik. Und ihr würdet das Buch, von dem ich Ihnen heute erzählen will, mein Shishia, Vik und der Vampir nennen, und es würde klingen wie eine Geschichte für Kinder, dabei ist es eine Geschichte für jene, die sich vor nichts fürchten. König Vikram war nicht der Thronfolger des Königreiches von Ujjayini, dieses Privileg fiel seinem Halbbruder Bhartirihari zu, und Vikram wäre wohl ein Eremit geworden, der durch das Land reist, um nicht zu jenen Sünden verführt zu werden, die beim Rasten einfallen, wenn sein Bruder ihm nicht zuvorgekommen wäre, wenn Bhartirihari sich nicht auf den dornigsten und steinigsten aller Wege begeben hätte, aufgrund einer Enttäuschung, die er nicht verwinden konnte, einer Enttäuschung seiner Liebe. Stellen Sie sich vor, mein Shishia, Ihnen wird ein Apfel geschenkt, ein Apfel der Unsterblichkeit, wirksam für eine Person, und Sie reichendieses Geschenk weiter, an Ihre Geliebte, und diese, spüren Sie den Absturz nahen, schenkt den Apfel …
    – Ihrem Liebhaber. Die Geschichte kenne ich schon.
    – Oh. Woher?
    – Ich weiß es nicht. Ich habe sie irgendwo aufgegabelt.
    – Ein glücklicher Mann, der solche wertvollen Geschichten irgendwo aufgabelt. Und sei es auch nur im Bett.
    Burton schwieg, seine Gedanken überschlugen sich. Wie hatte Upanitsche von Kundalini erfahren? Naukaram hatte bestimmt geschwiegen. Die anderen Diener würden sich nicht trauen, auch nur ein Wort zu erwähnen. Hatte Upanitsche Umgang mit anderen britischen Offizieren? Er traute sich nicht, ihn zu fragen. Er empfand Scheu, und zudem kannte er die Antwort schon: Dem Guru bleibt nichts verborgen. Ein Pendel, das im Scherz angestoßen wurde und im Ernst ausschwang. Von diesem Tag an merkte er, wie der Guru sein Zusammenleben mit Kundalini in den Unterricht einflocht, er merkte es an den Themen, die er anschnitt, an den Sprüchen, die er ihm kredenzte. Auf einmal, mitten in einem Gespräch, das in alle Richtungen führte, sagte der Lehrer: Nur eines gibt wahre körperliche Freude, was du mit Mühe erreichst bei einer Frau, die nicht deine eigene ist! Burton war solche Überraschungen inzwischen gewohnt. Sein Entsetzen darüber, so etwas aus dem Mund dieses verehrten und verehrungswürdig aussehenden Lehrers zu vernehmen, hielt sich in Grenzen. Er erkundigte sich brav nach dem Urheber dieser Weisheit. Das ist ein Satz von Vatsyayana, mein Shishia, der Autor eines Werkes, das dir von großem Nutzen sein kann. Es heißt Kamasutra , und es beinhaltet genau das, was der Titel verspricht: die Lehre der Liebe.
    – Gemeint ist die göttliche Liebe?
    – Wenn Sie von der Liebe sprechen, zu der Gott uns befähigt, ja. Nicht aber die Liebe zu Gott, die findet in diesem Werk weniger Beachtung.
    – Ich wußte nicht, daß Sie sich auch mit solchen Themen beschäftigen?
    – Sie wissen nichts. Vor Ihnen sitzt der größte Fachmann über das Kamasutra .
    – Wieso haben Sie mir das nicht früher gesagt, Guruji?
    – Oh, mein Shishia, der Weg des Wissens ist ein langer Weg. Wer Schüler wird bei einem Maler von Miniaturen, der darf im ersten Jahr nur Linien zeichnen, Kreise und Spiralen auf hölzerne Tafeln, und wenn er diese Fertigkeit vervollkommnet hat, darf er einige Lotosblüten zeichnen, ein Reh hier und einige Pfauen dort. Und wenn die Blumen und die Tiere vor dem strengen Auge des Meisters gelingen, darf er an einigen Details einer Miniatur mitarbeiten. Aber das, mein Shishia, wird ihm erst Jahre später erlaubt. Soll ich dir unsere Schätze alle auf einmal überreichen? Wirst du dann nicht einen Überdruß empfinden? Nein, du wirst sie allmählich kennenlernen, und manche werden dir niemals bekannt werden.
    – Ich bin neugierig, Guruji. Wann kann ich dieses Werk lesen?
    – Das wird schwierig, mein Shishia. Wie soll ich es finden unter all meinen Büchern?
    – Ich könnte Ihnen helfen.
    – Es sind Tausende von Büchern. Die Seiten kleben oft zusammen, und manchmal fehlt das Titelblatt.
    – Die Arbeit würde mir nichts ausmachen.
    – Ich

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