Der Weltensammler: Roman (German Edition)
werden. Es tut bei jedem Schritt weh. Und nachts kann ich wegen meines Rheumas nicht schlafen. Was für ein Sinn sollte sich aus alldem ergeben?
– Sie erledigen sinnvolle Arbeit.
– Wenn Sie das wirklich glauben, Soldat. Die Mehrheit scheint mich abgeschrieben zu haben.
– Sir, wenn ich eine delikate Frage an Sie richten dürfte.
– Schießen Sie los, Soldat.
– Die Verantwortung, die Ihnen aufgetragen ist, für ein Land, das so komplex ist, so unverständlich, so vielfältig, belastet Sie das nicht manchmal?
– Nein. Es stört mich nicht im geringsten. Macht auszuüben ist niemals unangenehm.
57.
NAUKARAM
II Aum Pramodaaya namaha I Sarvavighnopashantaye namaha I Aum Ganeshaya namaha II
– Heute werde ich dir verraten, wie ich ihm das Leben gerettet habe. Du hast es dir verdient. Du hast geduldig gewartet. Bestimmt hast du dich vor Neugier verzehrt. Es begann damit, daß ich hörte,Burton Saheb sei im Gefängnis. Nein. Ich habe gehört, einige Gefolgsmänner von Mirza Aziz seien verhaftet worden. Ich wußte, daß Mirza Aziz ein Vertrauter von Burton Saheb war. Er hatte vorgehabt, einige Tage bei ihm zu verbringen. Und als er nicht zurückkehrte, folgerte ich, er sei vielleicht zusammen mit den anderen verhaftet worden.
– Als Offizier der Angrezi? Wie kann das sein?
– Genau. Deswegen habe ich zuerst seinen Hauptmann angesprochen. Der zeigte sich völlig gleichgültig. Leutnant Burton verschwindet doch regelmäßig, sagte er, was soll an diesem Verschwinden anders sein. Dann fiel mir ein, er war gekleidet wie ein Miya, und er konnte in Gegenwart der anderen nicht mit der Wahrheit herausrücken. Mirza Aziz hätte das Gesicht verloren, und Burton Saheb hätte sich in seiner Verkleidung für immer blamiert.
– Er hätte sich im Gefängnis zu erkennen geben können?
– Der Gedanke kam mir zuerst auch. Je länger ich nachdachte, desto größere Zweifel bekam ich. Wenn sie alle zusammen in einer Zelle waren, wenn er um ein Gespräch mit dem Wachhabenden unter vier Augen gebeten hätte, die anderen hätten vermutet, er wolle sie verraten. Daher, das erschien mir viel wahrscheinlicher, würde er einfach abwarten, bis sie alle freigelassen wurden. Mein Herr gehörte nicht zu jenen, die sich vor einer Nacht im Gefängnis fürchteten. Im Gegenteil, er würde auch diese Erfahrung auskosten.
– Es blieb nicht bei einer Nacht.
– Nach drei Tagen machte ich mir ernsthafte Sorgen. Ich wußte nicht, mit wem ich mich besprechen konnte. Hauptmann Scott war mit dem Trupp der Vermesser im oberen Sindh. Burton Saheb arbeitete schon seit längerem nicht mehr mit ihnen zusammen, weil seine Augen entzündet waren. Sonst wußte niemand Genaueres über seine Aktivitäten. Abgesehen vom General. Was hätte ich tun sollen? Sollte ich zum Hauptquartier gehen und um ein Treffen mit dem Herrscher des Sindh ersuchen? Ich wartete noch einen Tag ab. Dann ging ich zum Gefängnis. Die Angrezi hielten ihre Gegner in dem alten Fort auf einem Hügel östlich der Stadt gefangen. Ich muß Ihnen sagen, schon der Anblick war beängstigend, ein Bau wie ein Gebirge. Ich mußte vielen Stufen erklimmen. Das Tor, das nur aufeiner Seite offen war, raubte mir den letzten Mut. Es war mit gewaltigen Eisenspitzen versehen, die den Elefanten trotzen sollten. Früher. Ein Schauder lief durch mich hindurch, als ich an ihnen vorbeiging. Ich mußte hinter dem Tor zwei gelangweilten Sepoy mein Anliegen vortragen. Ich ersuchte, den Kommandanten zu sprechen. Sie ließen mich nicht zu ihm vor. Ich sollte ihnen sagen, worum es ging. Ich weigerte mich. Ich fügte hinzu, ich sei Diener eines Angrezi, eines Offiziers. Schließlich brachten sie mich zu dem Kommandanten. Was für ein Zimmer er okkupierte! Die Fenster waren zwar klein, aber sie blickten über das ganze Land. Ich teilte ihm mit, aus Versehen sei ein Angrezi, ein Offizier sogar, verhaftet worden. Das wüßte er, antwortete der Offizier barsch. Vielleicht nicht, widersprach ich vorsichtig. Er ist ein Spion, in Camouflage. Sie würden ihn nicht erkennen. Er glaubte mir nicht. Mein Beharren aber, das beeindruckte ihn. Ich beschrieb Burton Saheb, bis hin zu der Kleidung, die er getragen hatte, als er aufbrach. Der Kommandant war gereizt, ich hatte ihn geködert. Das werden wir doch sehen, sagte er schließlich und richtete sich auf. Er hieß mich, am Tor zu warten. Nach einiger Zeit wurde ich wieder hineingerufen. Als ich erneut durch das schwere Tor schritt, zog sich mein Herz
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