Der Weltensammler: Roman (German Edition)
Haben wir nicht genug über ihn geredet?
– Bitte, ein letztes Beispiel.
– Als wir in Sehwan waren, da gruben in der Nähe einige Angrezi nach alten Wertschätzen, Überbleibseln eines Lagers von Iskander dem Großen. Sie waren hingebungsvoll, und etwas leichtgläubig. Und aus irgendeinem Grund ärgerten sie Burton Saheb. Das war es.Ich wußte nie, wann etwas seinen Groll erregen würde. Es hat keine Woche gedauert, da haben die Miya in dieser Gegend den Allesgläubigen gefälschte alte Münzen verkauft. Doch eines Tages mußten all jene, die im Lager Spott über die Grabenden ausgeschüttet hatten, ihre giftigen Worte zurücknehmen. Es wurde ein Fund gemacht: Tonscherben mit Abbildungen aus einem alten, untergegangenen Land der Firengi, das Etrusk hieß. Die Grabenden kamen in unser Lager, sie wollten ihren Erfolg vorzeigen. Ich schämte mich für sie, und ich schämte mich für Burton Saheb, der diese Tonscherben selber vor Sonnenaufgang in der Erde versteckt hatte.
– Warst du dabei?
– Nein, aber ich bin mir sicher.
– Wieso?
– Er besaß eine Vase, die verschwand zu jener Zeit. Sein Freund Scott Saheb hatte ihn auch in Verdacht, aber Burton Saheb beteuerte seine Unschuld. Er selber buddelte überall herum, er grub alles mögliche aus, aber er fand nichts dabei, seine groben Scherze mit denen zu treiben, die seine Leidenschaft teilten.
56.
DER HERR AM PLATZ
Niemand wäre auf die Idee gekommen, den General zu bemitleiden, obwohl er ein halber Krüppel war. Vielleicht lag es daran, daß weder sein Lob noch sein Tadel je Maß hielten? Er wurde angegriffen, an allen Flanken. Um so heftiger, je länger seine Herrschaft über den Sindh andauerte. Nachträglich wurden sogar seine Erfolge auf dem Schlachtfeld in Frage gestellt. Jene, die dabei waren, unterstützten ihn weiterhin ohne Vorbehalt, doch die vielen, die an den Ereignissen nur vom Hörensagen beteiligt waren, widersprachen seiner Darstellung bis ins letzte Detail. Der General verstand die elastischen Regeln politischer Ethik, aber er konnte sich nicht an einer gefälschtenMoral beteiligen. Er rauchte nicht, er spielte nicht um Geld, er trank nicht – wieso leben Sie überhaupt, wollte Burton ihn einmal fragen, verbiß es sich jedoch – ; er hatte schon in jungen Jahren den ersten Baustein seines schlechten Rufs gelegt, als er die Gefreiten seines Regiments mit der Peitsche von ihrer Trunksucht kurierte.
– Was haben Sie zu berichten?
– Ich kenne inzwischen einen der Mittelsmänner, der die Anführer der Belutschen umfassend mit Informationen versorgt. Aber ich weiß noch nicht, wie er an diese Informationen gelangt. Ich benötige noch Zeit.
– Solange der Aufstand nicht ausbricht, bevor Sie Ihre Untersuchung abgeschlossen haben.
– Die Lage scheint momentan ruhig zu sein.
– Wie werden die Nachrichten vermittelt?
– Meistens über Sidis.
– Sidis? Erklären Sie, Soldat, anstatt mit Begriffen um sich zu werfen.
– Nachfahren von Sklaven aus Ostafrika. Man trifft sie allenthalben mit riesigen Wasserhäuten auf ihrem Rücken, beladen mit Lasten, die sich für einen Büffel ziemen würden. Sie heißen oft Sidi als einzelne Person und Sidis als Gruppe.
– Wieso bedienen sich die Aufständischen gerade dieser Leute?
– Stehen außerhalb des Systems. Sind nicht in dieses Netz von Familie und Clan und Stamm eingebunden, das alles so schwierig macht.
– Beeilen Sie sich, Soldat. Ich würde diese Rätsel zu gerne bald knacken. Ich habe so ein Gefühl, ich werde nicht mehr lange hier sein.
– Im Sindh, Sir?
– Auf dieser Erde.
– Solche Gefühle täuschen meist.
– Ich lebe noch, weil es unsinnig ist.
– Sie meinen, Sir?
– Eine Kugel schlug in meine rechte Nasenseite ein und bohrte sich in den Kiefer oberhalb des Ohres. Ich lag auf dem Gras, undzwei Feldärzte mühten sich ab, die Kugel herauszuholen. Sie war tief in den Knochen eingegraben, und sosehr sie daran zogen, sie konnten sie nicht herauslösen. Auch nicht, nachdem sie ein drei Inch großes Loch in meine Wange geschnitten haben. Einer der beiden steckte seinen Daumen in meinen Mund und drückte, während der andere zog, und so sprang die Kugel schließlich heraus, samt jeder Menge Knochensplitter. Seitdem habe ich regelmäßig das Gefühl zu ersticken. Mein Bein, es ist gebrochen, mein Bruder hat es einigermaßen fest zusammengebunden, und es ist verheilt. Allerdings so schlecht, es mußte Jahre später wieder gebrochen und neu geschient
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