Der Weltensammler: Roman (German Edition)
wieder zusammen, so als versuchte es durch einen Schlitz zu schlüpfen. Es ist so, wie ich vermutet habe, sagte der Kommandant. Der Mann, den du beschreibst, ist eindeutig kein Angrezi. Wie haben Sie das herausgefunden? platzte es aus mir heraus. Der Kommandant grinste. Wir haben ihn freundlich gebeten, sich auszuziehen. Er ist beschnitten, und außerdem spricht er kein einziges Wort unserer Sprache. Das gibt er nicht zu vor den anderen, wandte ich ein, und beschnitten ist er, weil er sich vor kurzem hat beschneiden lassen. Genau zu diesem Zweck. Unfug! Ein Engländer läßt sich nicht beschneiden. Mich interessiert vielmehr, was du mit diesen Lügen bezweckst. Die Stimme des Kommandanten klang schlimmer als jede Drohgebärde. Wir werden herausfinden müssen, was du im Schilde führst. Ich dachte, es sei um mich geschehen.
58.
DER UNBESIEGBARE
Es todelte. Die wenigen Felder waren bedeckt von einer dünnen Schicht weißer Asche, die einen unerklärlichen Glanz verbreitete, und die wenigen Pflanzen sprossen wie vereinzelte Bartstoppeln auf der runzligen Haut eines Greises. Das Wasser in den Flußbetten war zu einem schlammigen Gestank verdunstet. Die Bäume waren ausgedörrt. Mirza Abdullah ruhte sich aus, wie alle anderen auch. Es war kühler im Zimmer, der Körper schwer nach einem vorzüglichen Mittagsmahl. Schreie. Eine schmutzige Fährte in seinem Halbschlaf. Die Geräusche verdichteten sich zu einem Nebel. Sie waren zu laut für einen Albtraum, sie kamen näher. Die Tür sprang auf, einige Männer stürzten herein. Packten ihn an den Armen, warfen ihn zu Boden, traten ihn. Ein Schlag auf seinen Hinterkopf. Bevor er in Ohnmacht fiel, fühlte er noch die Hände, die ihn abtasteten. Es war glitschig unter ihm, kalt am Kopf. Es brauchte Zeit, bis er in der Dunkelheit seine Beine ertasten konnte. Wer ist hier noch? Seine Stimme war ihm nicht geheuer. Wie verkrustet.
– Aah, unser Freund ist aufgewacht.
– Wir sind gefangengenommen worden.
– Von wem?
– Hört ihr ihn? Wie gesegnet sind die Fremden in ihrer Ahnungslosigkeit. Von wem wohl? Von den Angrezi.
– Den Angrezi!
– Ja. Es gibt eine gute Nachricht. Mirza Aziz ist entkommen. Er hat sich als einziger nicht ausgeruht, als sie das Haus angriffen.
– Mashallah.
– Es gibt eine schlechte Nachricht. Weil Mirza Aziz entkommen ist, wollen die Angrezi wissen, wo er sich versteckt. Und sie werden uns quälen, bis sie es herausgefunden haben.
– Wissen wir es denn?
– Nein. Keiner von uns weiß es. Das wird uns nicht vor den Schmerzen bewahren. Doch bei Ihnen sieht es etwas anders aus. Sie könnten versuchen zu erklären, daß Sie auf der Durchreise sind, daßSie aus Persien stammen, daß Sie nur zufällig in dem Haus von Mirza Aziz waren.
– Was wird es mir nutzen?
– Wenig, fürchte ich. Selbst wenn man Ihnen Glauben schenkt, die Vermutung liegt nahe, daß Sie in Verbindung zum Shah stehen.
– Es ist an der Zeit, für die Freundschaft mit Mirza Aziz zu zahlen.
Sie überließen sich wieder dem Schweigen. Sie konnten nicht einmal angemessen beten. Die Decke war zu niedrig, um sich aufzurichten. Sie wußten nichts über die Himmelsrichtungen. Ein Knarzen, ein Lichtschein. Eine Fackel, die zum ersten Mal den Raum, in dem sie sich befanden, ausleuchtete. Eine Zelle. Schwere Wände. Matschiger Reis auf einer Tawa, die von einem Sepoy in die Mitte gelegt wurde. Sie mußten mit ihren dreckigen Händen essen. Die Mitgefangenen blickten ihn prüfend an. Sie fragten sich wohl, ob sie sich auf ihn verlassen konnten. Bald brannte die Fackel aus. Es dauerte nicht lange, da wurde einer von ihnen herausgeholt. Er blieb lange weg. Sie wußten nicht, ob es Tag war oder Nacht. Als er zurückgebracht wurde, konnte er ihnen nicht erzählen, was mit ihm geschehen war. Die Angst engte die Zelle noch mehr ein.
59.
NAUKARAM
II Aum Durjayaaya namaha I Sarvavighnopashantaye namaha I Aum Ganeshaya namaha II
– Der Kommandant nickte dem Sepoy hinter mir zu. Er hätte mich bestimmt geschlagen, wenn ich nicht vorgesorgt hätte. Ich hatte einen Beweis mitgenommen. Das war ein selten hellsichtiger Moment in meinem Leben. Bitte, schrie ich auf, einen Augenblick bitte, ich werde Ihnen etwas zeigen. Und ich griff in meinen Sack und holte die Uniform von Burton Saheb heraus. Und einige anderekleinere Sachen. Glauben Sie mir, ich lüge nicht, Sie können mich ausfragen, ich weiß über die 18. Infanterie Bescheid. Ich kenne die Namen der
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