Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)
Verstanden?«
»Verstanden«, sagte ich.
»Mit sechzig wären Sie nicht so weit weg vom Schuss«, sagte er ruhig, wie ein russischer Agent, der mir die Details von der Nuklearkapazität des Kremls enthüllte.
»Sechzigtausend Dollar?«, fragte ich.
Kopfschüttelnd starrte er an die Decke und seufzte, als würde ihn meine Dummheit schmerzen. »Na, na, Mr. Beaverbrook, wir sind doch keine heruntergekommene Sparkasse für arme Schlucker! Sechzig Millionen Dollar. Oder irgendwas um den Dreh.«
DER KELLER
Für einen Polizeipsychologen gibt es im Berufsleben einen positiven Nebeneffekt: Man begegnet einem breiten Spektrum von Menschen. Klar, zum großen Teil sind das Mörder, Sexualtäter und Perverse, doch hin und wieder war unter den Säuen auch mal eine Perle zu finden. Dave Burwash war ein typisches Beispiel. Man könnte sogar sagen, dass er einer meiner Erfolge war, wenn man bedenkt, dass er nicht lebenslänglich einsaß und auch keine Gruppe minderjähriger Cheerleader vergewaltigt und getötet hatte.
Dave war einer der ersten Kriminellen, die ich kennenlernte; eigentlich eher ein mutmaßlicher Krimineller, denn er kam aufgrund eines Formfehlers frei. Getarnt mit einer Micky-Maus-Maske war er in eine Pfandleihe eingebrochen. Ich ließ ihn durch das Programm laufen, um zu prüfen, ob die Maske ein Symptom für ein unterschwelliges mentales Problem war. Er war in Ordnung. Besser noch – er hatte einen IQ von hundertsechsundfünfzig, womit er zur oberen Hälfte von einem Prozent der Bevölkerung gehörte, und ich führte noch ein paar weitere Tests mit ihm durch, die ein ausgeprägtesZahlenverständnis bei ihm nachwiesen. Ja, hatte er mir erzählt, im Kopfrechnen sei er immer schon gut gewesen. Er hatte einige Zeit in einer Bar gearbeitet, und egal wie viel los war, er war immer schneller als die elektronische Registrierkasse gewesen, und in der Schule hatte er seine Freunde damit unterhalten, dass er im Kopf Zahlen multiplizierte, große Zahlen. An der Schule, die er besuchte, waren die Lehrer froh, wenn sie ohne eine Schießerei auf dem Flur durch den Tag kamen, darum suchten sie nicht speziell nach verborgenen Talenten wie dem von Dave.
Sein Vater hatte sich kurz nach seiner Geburt aus dem Staub gemacht und seine Mutter war kränklich, also nahm Dave nacheinander verschiedene Jobs an. Aber dann ging es ihr schlechter und er geriet auf die schiefe Bahn. Er hatte ein Händchen für das Öffnen von Schlössern – vermutlich wegen der mathematischen Seite mit den Kombinationen und den Zuhaltungen; es war zwar mechanisch, aber man brauchte dazu Köpfchen –, und wie er mir voller Stolz erzählte, hatte er auch kein Problem mit elektronischen Alarmanlagen. Er war kriminell, das stand völlig außer Zweifel, aber in der Verhandlung gab es dann einen Mangel an Beweisen – wegen der Micky-Maus-Maske, ob Sie es glauben oder nicht –, und Dave kam frei.
Der Mann war mir auf Anhieb sympathisch. Er war ungefähr fünf Jahre jünger als ich und hatte eine sarkastische Einstellung zum Leben. Ich verhalf ihm zu einem Platz in einem Computerprogrammierkurs, und innerhalb eines Jahres hatte er seine eigene Beraterfirma und verdiente das Fünffache von dem, was mir das gute alte LAPD löhnte. Er war ein Naturtalent, noch besser, als das Programm vermuten ließ. Ichwar nicht sicher, wie er auf die Bitte reagieren würde, seine alten Gewohnheiten für eine Nacht wieder aufzunehmen, aber er sprang sofort darauf an.
Er fuhr in einem glänzenden neuen Mercedes-Zweisitzer bei mir vor, aber ich ließ ihn den vor meinem Haus abstellen und fuhr ihn im Alpine zur North Alta Vista Avenue. Wir parkten ein Stück weit weg. Ich trug das braune Lederetui mit den Werkzeugen seiner ehemaligen Zunft und bestand darauf, dass er für alle Fälle etwa ein Dutzend Schritte hinter mir bleiben sollte. Gott bewahre, dass wir die Aufmerksamkeit eines übereifrigen Mitglieds der örtlichen Polizei erregten. Dave machte das ja alles großen Spaß, aber auf gar keinen Fall wollte ich seine Zukunft aufs Spiel setzen. Wir gingen durch eine Gasse neben Terrys Haus, und als wir sicher sein konnten, dass wir im Dunkeln allein waren, schlich ich auf Zehenspitzen zu ihm und flüsterte ihm ins Ohr: »Hier ist es. Kommst du da irgendwie rein?«
»Man kommt immer irgendwie rein«, flüsterte er zurück.
»Sobald du mich reingelassen hast, machst du dich sofort aus dem Staub«, sagte ich. »Ich will dich nicht in der Nähe des Hauses haben, falls irgendwas
Weitere Kostenlose Bücher