Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)
Lufthauch an meiner linken Wange und drehte den Kopf, konnte aber nichts sehen. War das die Richtung, in der die Tür zum Haus lag? Ich blinzelte etwas, und mir war so, als sähe ich ein graues Rechteck in der Schwärze, aber es konnte auch eine optische Täuschung sein.
Ich erinnerte mich an die Miniaturtaschenlampe an meinem Schlüs sel ring, ein Geschenk von Deborah aus glücklicheren Zeiten. Ich zog sie aus meiner Tasche – die Schlüssel klimperten wie ein Windspiel – und knipste sie an. Ich ließ den Lichtkegel über die Garagenwände kreisen und dann auf der weißen Tür ruhen. Ein kühles Lüftchen kam aus der Richtung, aber ich wusste nicht wieso, denn alle Fenster, die Dave und ich gesehen hatten, waren geschlossen und verriegelt gewesen.
Ich entschied mich dagegen, das Deckenlicht einzuschalten. Vorsichtig tappte ich über den Fußboden bis zur Tür. Auf meinen Druck hin sprang sie lautlos auf. Ich trat über die Schwelle und hielt den Atem an. Auf der anderen Seite lag ein Korridor mit roter Auslegware. Ich säuberte mir die Schuhe auf der Fußmatte, dann betrat ich den Plüschflor. Er knisterte ganz leise unter meinen Füßen. Als ich die Taschenlampe herumwandern ließ, bemerkte ich noch einen Lichtstrahl und eine Gestalt im Schatten. Ich sprang zurück, mein Herz klopfte wild, und auch sie sprang gleichzeitig zurück, und ich merkte, dass mich ein Spiegel erschreckt hatte.
»Ruhig Blut, Jamie«, murmelte ich. Der Spiegel war alt, sehr alt, offensichtlich eine kostbare Antiquität. Er war mannshoch und der Rahmen golden gestrichen. Ich sah genauer hin. Nein, eher Blattgold. Echtes Gold. Er musste ein Vermögen wert sein. Die Tür gegenüber dem Spiegel führte von der Garage mitten in den Flur, der sich nach links und rechts ausdehnte. Zwei Türen gingen vom Korridor ab, eine an jedem Ende. Ich entschied mich für die rechte, in der Hoffnung, dass es nicht noch mehr Schlösser gab. Was würde ich wohl tun, falls doch? Ich hatte auch Angst vor einer Alarmanlage und fand die Idee, Dave fortzuschicken, doch nicht mehr so gut. Ich hätte mich auch viel besser gefühlt, wenn jemand im Dunkeln neben mir gegangen wäre, aber ich wusste, dass das kindisch war. Es gab nichts, vor dem ich im Dunkeln Angst haben musste. Das zumindest redete ich mir ein.
Die Tür hatte einen Messingknauf, ich drehte ihn langsam und drückte dagegen. Sie öffnete sich; die Scharniere waren nicht zu hören, nur wie das untere Ende über den dicken Teppich schrappte. Dahinter lag noch ein Flur, von dem mindestens acht Türen abgingen. Wahrscheinlich waren es noch mehr, aber der dünne Lichtstrahl konnte die Dunkelheit nicht weiter durchdringen. Allmählich kam ich mir vor wie in dem Fantasy-Rollenspiel
Dungeons & Dragons
, das ich als Student gespielt hatte. Dabei muss man durch ein Labyrinth und gegen imaginäre Dämonen und Monster kämpfen, nur hat man keine Ahnung, wohin man geht oder wo die Monster sind – der Einzige, der das weiß, ist der Spielleiter alias
Dungeon Master
. Man erfährt nur, an welchem Punkt man sich befindet, sei es eine Höhle, ein Zimmer oder ein Flur mit einem dicken roten Teppich.
Ich öffnete eine Tür und betrat ein fensterloses, etwa sechs Quadratmeter großes Zimmer mit hoher Decke. Ein Kronleuchter glitzerte in der Mitte der Decke und neben der Tür befand sich ein Lichtschalter aus Messing. Gemälde schmückten die Wände. Ich konnte nicht viele Details von den Bildern erkennen, denn die Taschenlampe leuchtete zu schwach, daher konnte ich mir jeweils nur einen Ausschnitt ansehen. Sie waren groß und offenbar alt. Einige davon waren Seestücke, große Galeonen mitten in blutigen Schlachten mit Kanonenfeuer und flatternden Segeln im Wind, während andere Landschaften zeigten, Darstellungen von Ackerbaumethoden, die schon längst keine Anwendung mehr fanden.
Ich suchte nach Signaturen in den Ecken der Gemälde, fand aber keine, obwohl ich ziemlich sicher war, dass es sich bei einem davon um einen Turner handelte. Ich war in der Turner-Sammlung in der Londoner Tate Gallery gewesen und das da an der Wand war definitiv ähnlich. Wenn es wirklich ein Turner war – wie viel, um Himmels willen, mochte der wohl wert sein? Vermutlich Millionen.
Ich verließ die Galerie, warf einen prüfenden Blick in beide Richtungen und ging ins nächste Zimmer. Die Tür fühlte sich viel schwerer an, und ich musste mich richtig anstrengen, um sie zu öffnen – als ich drinnen war, erkannte ich den Grund. Die
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