Der Wettflug der Nationen
er mit einem etwas boshaften Lächeln zu seinem Gegenüber. „Die Schreckensbucht ... Ich finde, das ist nicht gerade ein sehr ermutigender Name für Start und Ziel eines solchen Rennens.“
Der Russe schüttelte den Kopf. „Die Deutschen sind nicht abergläubisch, Herr Generalkonsul. Sie werden sich die Sache sehr genau überlegt haben. Zufälligerweise sind mir die Verhältnisse an der Ostküste Grönlands ein wenig bekannt. Es gibt da unmittelbar an der Küste vielfach eisfreies ruhiges Meer. Die deutsche meteorologische Station liegt auf einem völlig ebenen, allerdings vergletscherten Plateau. Die Bedingungen dürften für ein Wassern oder Landen gleich gut sein. Ich glaube, der Platz ist sogar recht geschickt ausgesucht worden.“
Monsieur Gerardin schlürfte seinen Sorbet.
„Übrigens ... man hört auffallend wenig über die Rennvorbereitungen in Ihrem alten Vaterland, Herr Tredjakoff“, sagte er nach einer Weile. „Es wäre doch wichtig, irgend etwas darüber zu erfahren. Ich weiß nicht, ob Sie noch Beziehungen dorthin haben ...“
Tredjakoff machte eine heftig abwehrende Bewegung. „Ich habe zu der Regierung in Moskau keine Beziehungen, Herr Gerardin. Nur gelegentlich kam mir durch andere Emigranten das eine oder andere über die russischen Vorbereitungen zu Ohren. Ich weiß nicht, ob diese Nachrichten authentisch sind, aber ich muß sagen, daß sie sich auffallend mit meinen eigenen Anschauungen decken.“
„Oh, das interessiert mich, Herr Tredjakoff. Würden Sie mir verraten, was für Anschauungen und Nachrichten das sind?“
„Warum nicht? Nach meiner Ansicht wird das Reading -Rennen für Rußland eine Blamage werden. Das ist übrigens auch die Meinung meines Freundes Bunnin, der sich heute die Ehre gab, Ihrer Einladung zu folgen. Er wird es Ihnen gern bestätigen.“
Monsieur Gerardin zuckte die Schultern. „Ich begreife, Herr Tredjakoff, Sie sind kein Freund der Sowjets. Aber ist Ihre Anschauung nicht doch ein wenig voreingenommen, man kennt doch einige recht vorzügliche russische Leistungen im Flugzeugbau?“
„Ich kann nur sagen, daß meine Meinung durch das, was mir aus Moskau und Udinsk zugetragen wurde, unterstützt wird. Die Sowjets beabsichtigen mit sechs funkelnagelneuen Paradestücken ihrer sibirischen Industrie in das Rennen zu gehen. Aber gerade dadurch werden sie sich ihre Chancen verderben, denn logischerweise müssen das unerprobte Maschinen sein.“
Der Konsul nickte. „Es klingt nicht unwahrscheinlich, mein lieber Tredjakoff. Bis jetzt kann man wirklich noch nicht viel Vertrauen zu soliden Leistungen der neuen russischen Industrie haben. Hörten Sie zufälligerweise auch etwas von den japanischen Absichten?“
„Nur wenig, Herr Gerardin. Gerüchtweise hieß es einmal, daß die Japaner zwei Flugzeuge modernster Art von den deutschen Eggerth-Werken gekauft haben und dabei sind, nach diesen Vorbildern eigene, noch bessere Maschinen zu entwickeln. Aber wer weiß, ob diese Nachricht nicht schon wieder überholt ist. Die Herren in Tokio haben ihre Agenten wahrscheinlich überall in der Welt und werden sicherlich redlich bemüht sein, aus den Erfindungen und Arbeiten der anderen das Beste für sich selbst zu machen.“
Mr. Owens, Korrespondent der New Yorker Morning-Post, der mit zwei anderen Herren an einem Nachbartisch saß, wunderte sich über die plötzliche Zerstreutheit seiner Tischgenossen. Noch bis vor kurzem hatten die Herren Hidetawa und Yoshika seinen Ausführungen über die Wahlaussichten der New Yorker Demokraten interessiert zugehört. Jetzt schien ihre ganze Aufmerksamkeit dem Tisch des Generalkonsuls zu gehören. Angespannt versuchten sie kein Wort von dem zu verlieren, was dort gesprochen wurde. Es dauerte mehrere Minuten, bevor der Mann von der Morning-Post wieder Gehör für seine politischen Weisheiten bei Ihnen fand ... oder doch wenigstens scheinbar fand, denn in Wirklichkeit waren die Gedanken der Herren Hidetawa und Yoshika ganz woanders.
Was war das für ein Russe da bei Monsieur Gerardin, der sich als Emigrant ausgab und sich so merkwürdig genau über die japanischen Absichten informiert zeigte? Möglicherweise ein Agent der Sowjets, der hier unter Emigrantenmaske sein Geschäft betrieb? Konnte man es vielleicht versuchen, den Mann zu kaufen?
Während Mr. Owens kurze Zeit mit einem Vorbeigehenden sprach, wechselten sie hastig japanische Worte, wurden sich im Moment einig, daß der Versuch gemacht werden müsse. — Der Empfang im Konsulat
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