Der Wettflug der Nationen
schufteten Mechaniker und Monteure in der tropischen Hitze wie die Wilden. Jede Minute war kostbar. Man lag ja im Rennen. Mit rund 950 Stundenkilometer waren die Fisher-Ferguson-Maschinen im Anflug auf Kalena. Erreichten sie die Insel, solange die französischen Maschinen noch hier waren, dann wurde die Niederlage offensichtlich, dann konnten die Engländer einen Vorsprung von tausend Kilometer auf ihr Konto gutschreiben. Der glühende Wunsch, das zu verhindern, beseelte alle und spornte sie an, Ihre Kräfte bis zum äußersten einzusetzen.
Noch waren die Fisher-Ferguson-Maschinen 400 Kilometer entfernt, als der Papillon wieder aufstieg. Dreißig Minuten später folgten ihm die beiden Cassard-Maschinen. Wertvolle Zeit hatten die Reparaturen gekostet. Die nächsten Stunden mußten zeigen, ob es gelang, sie wieder einzuholen.
Bert Röge klappte den Sextanten zusammen und trug den Standort der Seeschwalbe in die Karte ein.
„29 Minuten Nord, Schmieden!“ Er arbeitete mit einem Maßstab auf der Karte, rechnete ein wenig und warf dann den Bleistift aufs Papier.
„Mensch, Kurt! In drei Minuten passieren wir den Äquator. Die Sache muß begossen werden. Wo steckt denn Hein?“ Schmieden deutete mit dem Daumen über die Schulter. „Das Faultier schläft da hinten.“
Röge legte die Kopfhörer ab. „Ist mir egal, den Äquator darf er nicht verschlafen.“ Bei den letzten Worten war er schon nach hinten gegangen und mühte sich, Hein aus seinem gesunden Schlaf aufzurütteln
„Hein, steh auf! Wir gehen über den Äquator.“
„Laß mich schlafen“, knurrte Hein Eggerth wütend.
„Wer nicht will, der hat schon“, brummte Röge und gab den Versuch auf. Er holte zwei Flaschen Bier aus dem Vorratsschrank und kehrte damit in den Führerstand zurück. Er öffnete sie und gab eine davon an Schmieden.
„Kommt denn Hein nicht?“ fragte der.
„Unmöglich, den Kerl munter zu kriegen. Na, laß ihn! Paß auf, Kurt, wenn der Minutenzeiger die 9 erreicht, ist's Zeit, da wollen wir eben allein prosten.“
„Hast du wenigstens Gläser, Bert?“
„Keine Zeit mehr, Kurt. Jetzt paß auf... zehn Sekunden ,.. fünf Sekunden ... jetzt: Prost Äquator!“ Er setzte die Flasche an die Lippen und tat einen kräftigen Schluck. Schmieden folgte seinem Beispiel.
„So, mein Junge“, sagte Röge und stellte die Flasche neben sich auf den Boden. „Nun sind wir glücklich auf der südlichen Halbkugel. Jetzt wollen wir mal versuchen, auf unserer Kurzwelle eine Verbindung mit Walkenfeld zu bekommen, und unserem guten Professor melden, daß wir den Äquator glücklich überflogen haben“
„Tue das“, sagte Schmieden, „und wenn du es getan hast, dann könntest du mal wieder das Steuer nehmen.“
„Kann gern geschehen, Kurt. Hast ja deine Stunde hinter dir. Wollen mal erst Walkenfeld suchen.“
Während der nächsten Minuten glückte es Röge, Kurzwellenverbindung mit den Eggerth-Werken aufzunehmen und den letzten Standort zu funken.
„So“, sagte er und schob die Hörer beiseite. „Das wäre gemacht. Übrigens eine interessante Neuigkeit, nur die Eagle-Maschinen liegen im Rennen noch vor uns. Alle anderen haben keinen klaren Vorsprung mehr. Nun gib mir das Steuer.“
Er wechselte den Platz mit Schmieden. Der blieb stehen, „So, mein Lieber! Nimm's mir nicht übel, wenn ich Heins Beispiel folge und mich auch etwas hinhaue.“
Röge sah ihn einen Augenblick erstaunt an.
„Du willst auch schlafen? Nur einer soll wachen? Ich weiß nicht, Kurt, ob wir das verantworten können.“
Schmieden deutete durch die Fenster ins Freie. Sonnenüberströmt lag die endlose Meeresfläche zehntausend Meter unter ihnen. Soweit das Auge reichte, keine Spur eines lebendigen Wesens, keine Segel, keine Rauchwolke, kein Land.
„Hier ist die beste Gelegenheit, Bert, auf Vorrat zu schlafen. Wir sind in der Calmengegend, der Zone der Windstille. Hier rührt sich kein Lüftchen. Wir wollen die Gelegenheit ausnutzen. In den höheren Breiten werden wir noch öfter, als uns lieb ist, alle drei zur gleichen Zeit wachen müssen. Übernächtigte Leute sind als Flugzeugpiloten wenig empfehlenswert.“
„Da hast du recht, Kurt. Leg dich aufs Ohr. Aber... Halt! Was mache ich, wenn ich dich brauche und du schläfst da hinten wie ein Dachs in seiner Höhle?“
Schmieden überlegte eine Welle. „Hm, wenn ich auch so tief schlafe wie Hein, kannst du dich nachher totschreien, wenn du uns brauchst, wir würden doch nichts hören. Ja, was machen wir
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