Der Wettflug der Nationen
Sprung noch, dann klatschten die Schwimmer der Maschine auf die Wasserfläche; mit letzter Wucht trieb sie bis in die Mitte des Flusses, der sich an dieser Stelle etwa dreihundert Meter breit durch das Tal wälzte.
Thomson ließ sich erschöpft in seinen Sessel zurücksinken. Für kurze Zeit schloß er die Augen. Tausend Gedanken gingen ihm durchs Hirn und gipfelten schließlich in dem einen: Du bist aus dem Rennen! Eagle 2 hat das Spiel verloren.
Langsam schlug er die Lider wieder auf und blickte müde um sich. Da sah er durch die Seitenfenster, wie das Schilf an beiden Flußufern in rascher Fahrt vorüberzog. Der Bergfluß, auf dem die Eagle niedergegangen war, eilte mit reißender Strömung zu Tale. „Watson, den Notanker“, schrie Thomson. Glücklicherweise hatte man den in Bay City für alle Fälle mit an Bord gegeben. Von der Achterkabine aus ließ Watson den Anker fallen und die Kette auslaufen. Eine Weile trieb das Flugzeug weiter, dann hatte der Anker irgendwie Halt gefunden, die Kette straffte sich, die wandelnden Schilfwälder an beiden Ufern kamen zur Ruhe. Würde der Anker halten? Würde die Kette nicht reißen? Thomson schob die Gedanken beiseite. Wichtiger waren jetzt die anderen Fragen: Wo befanden sie sich? Wie konnte er Hilfe für sich und seine Leute herbeirufen?
Er breitete eine Landkarte aus. Der Fluß, auf dem er lag, war der erste auf seinem Weg von der Küste her. Nur der Maranon, der Oberlauf des Amazonenstromes, konnte es sein. Thomson versuchte den Ankerplatz der Eagle nach der in der Karte eingetragenen Flugroute festzustellen. Aller Wahrscheinlichkeit nach mußte er sich dicht vor der Biegung befinden, mit welcher der Maranon sich auf 6 Grad südlicher Breite nach Nordosten wendet. War seine Feststellung richtig, so lagen kleinere Ortschaften nur wenige Meilen entfernt zu beiden Seiten des Flusses, und er durfte auf Rettung hoffen.
Aber wie die Hilfe herbeirufen? Was half ihm alles Morsen, wenn die Bewohner der Waldsiedlungen keine Empfangsgeräte besaßen, um seine Hilferufe zu hören, wenn sie keinen Sender hatten, um ihm zu antworten? Einen Augenblick zögerte er. Mochte dem sein, wie ihm wolle, die Funkanlage blieb das einzige Mittel für den in der Wildnis Gestrandeten, um überhaupt mit der übrigen Welt in Verbindung zu treten. Er stellte das Gerät auf Senden. Auf der Welle, die der Eagle 2 für das Reading-Rennen zur Verfügung gestellt war, funkte er seinen Unfall und den Ort seiner Strandung. Schaltete dann auf Empfang und lauschte, die Kopfhörer an
den Ohren, ob von irgendwoher Antwort käme.
Zweimal... dreimal wiederholte er es. dann kam eine Antwort, die ihn staunen ließ: „>St<-Schiff der Eggerth-Werke hat Ihre Funkmeldung aufgenommen. Kommt schnellstens zu Hilfe.“ Thomson warf den Hebel wieder auf Senden, funkte und hörte noch einmal die gleiche Antwort: >St< eilt zu Ihrer Hilfe herbei. Hat den Punkt Ihrer Notwasserung mit 5 Grad 40 Minuten Süd 78 Grad West zur Kenntnis genommen. Wird in einer halben Stunde dasein.“ Thomson schaltete den Empfänger aus. Der Funkspruch war nicht mißzuverstehen, aber begreifen konnte er ihn trotzdem nicht. Das deutsche >St<-Schiff lag doch im Rennen. Es mußte auf der deutschen Route fliegen, mußte, soweit er, Thomson, über den Stand der anderen Maschinen unterrichtet war, jetzt etwa bei den Haymetklippen — vielleicht auch schon auf dem Weg nach Claryland sein. Wie konnte es versprechen, daß es in einer halbe Stunde hier sein würde? Vergeblich versuchte er eine Erklärung für das Unerklärliche zu finden...
Welches Glück im Unglück, daß er, seine Kameraden und das Flugzeug heil davongekommen waren. Neue Hoffnung glomm jetzt auf. Vielleicht würde es doch noch möglich sein, die Triebwerke in Gang zu bringen und die amerikanische Kontrollstation mit der Eagle 2 ohne allzu großen Zeitverlust zu erreichen. Dort lag ja alles bereit, was für eine gründliche Reparatur nötig war. Ein Dutzend geübter Werkleute aus Bay City würden sich sofort auf seine Maschine stürzen und sie in kürzester Zeit wieder instand setzen.
Aber es waren immer noch gut zweitausend Kilometer von seiner Wasserungsstelle auf dem Maranon bis zur Kontrollstation. Die mußten erst einmal überwunden sein. Die Arbeit an den Maschinen ... dann der Flug über zweitausend Kilometer ... Viel mehr als 700 bis 800 Stundenkilometer würde die Eagle kaum machen. Drei Stunden mußte er für den Flug rechnen... Vier Uhr morgens konnte er vielleicht hier
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