Der Wettflug der Nationen
den Ohren und fingerte an den Abstimmknöpfen des Funkgerätes herum. Er schrieb und schob den Zettel Eggerth zu.
Der las ihn.
"Da haben wir die Geschichte schon, Bert. SOS-Rufe vom Dampfer ,Cyanous'. Position 65 Ost und 10 Süd.
Das Sturmzentrum wandert noch schneller, als ich annahm. Wir müssen nach Westen ausbiegen, Kurs um Madagaskar nehmen."
"Schön gesagt, um Madagaskar ausbiegen " brummte Röge. "Das bedeutet über 1.000 Kilometer Umweg, auch müssen wir von unserer weiteren Flugroute und den vorgesehenen Etappenstationen abweichen."
"Du hast recht, Bert. Gestatte bitte."
Hein Eggerth nahm Röges Platz am Funkgerät ein, und die Morsetaste begann unter seinen Fingern zu klappern. Er sprach mit ,St 1', er funkte mit ,St 3', er hörte deren Antworten, gab Weisungen, und während der nächsten Stunden der Nacht ereignete sich mancherlei, was durch diese Funksprüche verursacht war.
Um sechzehn Uhr zwanzig Minuten New Yorker Zeit, also Null Uhr zwanzig Minuten Ortszeit ging die ,Seeschwalbe' mit beinahe leeren Tanks unter 43 Grad östlicher Länge und 3 Grad südlicher Breite auf dem offenen Ozean nieder. Dort wasserte schon ,St 1'.
Auf die Sturmwarnung Hein Eggerths hin war das Stratosphärenschiff mit Höchstgeschwindigkeit nach Mauritius gestürmt. Es erreichte Port Louis vor der Ankunft des Orkans, füllte seine Behälter mit Treibstoff und jagte danach sofort nordwestwärts weiter zu dem von Eggerth bestimmten Treffpunkt.
Jetzt lag es Seite an Seite mit der Seeschwalbe. Das Meer war verhältnismäßig ruhig. Nur eine lang auslaufende Dünung zeugte von den Stürmen, die im Osten tobten. Ohne Schwierigkeiten ließ sich die Treibstoffübernahme bewerkstelligen. Bald stieg die Seeschwalbe wieder mit frisch gefüllten Tanks auf und nahm Kurs auf die Somaliküste. Während die Seeschwalbe dem Sturmzentrum nach Westen auswich, hatte >St 3< während des Tankens auf Mauritius den Funkspruch Hein Eggerths erhalten und nach dem Starten sofort Kurs auf die sinkende Cyanous gesetzt.
Jetzt hing es, an seiner Hubschraube schwebend, über dem in Seenot befindlichen Dampfer und ließ eine Strickleiter hinunter, um die Besatzung zu bergen.
Die Minuten waren kostbar, aber >St 3< wußte sie zu nutzen. Als der Wind wieder anschwoll und die See von neuem wild wurde, stand es schon 8.000 Meter hoch über dem Wrack der Cyanous und stieg immer höher hinauf in die Stratosphäre, bis zu der keine Stürme und Orkane heranreichten. Die Besatzung des englischen Frachtdampfers, zwölf Köpfe stark, hatte >St 3< wohlgeborgen an Bord.
Soweit war alles in Ordnung, und die Eggerth-Werke in Walkenfeld durften im Laufe der nächsten Monate auf ein Dankschreiben der englischen Schiffahrtsbehörde rechnen. Jetzt gab es eine andere Sorge: Es galt erst einmal zwölf ausgehungerte englische Seemannsmägen zu füllen, und Ingenieur Vincent plünderte den Proviantschrank von >St 3< völlig aus.
Die französische Hafenwache in Tamatawe an der Ostküste von Madagaskar war etwas erstaunt, als mitten in der Nacht ein fremdes Flugzeug an der Mole festmachte, und sie wunderte sich noch mehr, als ihr zwölf Schiffbrüchige zur weiteren Betreuung übergeben wurden. Schließlich gab sie sich mit der Erklärung zufrieden, daß die Piloten des Flugzeuges keine Zeit für längere Erklärungen hätten, weil sie das Reading-Rennen mitflögen. Vom Reading-Rennen hatte auch die Hafenwache von Tamatawe schon gehört und war danach im
Bilde. Gegen 13 Uhr 50 Minuten New Yorker Zeit, also kurz nach 22 Uhr nach der Ortszeit von Madagaskar, war >St 3< der Sorge um seine unfreiwilligen Passagiere enthoben und konnte sich wieder seiner eigentlichen Aufgabe widmen. Mit neuem Treibstoff und frischem Proviant versehen, setzte das Flugzeug sich wieder auf die Spur der Seeschwalbe.
Gegen elf Uhr des zweiten Renntages funkte der Reading-Sender von Radio-City:
„Trinidad zehn Uhr amerikanischer Ostzeit, Eagle 2 überflog dreißigsten Breitengrad westlicher Länge nördlich Trinidad. Gesamtflugstrecke 23 100 Kilometer. Flugzeit 22 Stunden. Durchschnittsgeschwindigkeit 1.050 Stundenkilometer.“ Die Herren Harrow & Bradley hatten keine Lichtmeldungen mehr, aber der Riesenlautsprecher in ihrem Büro schrie die Nachricht immer noch weit genug auf die Straße hinaus, und mit fiebernden Pulsen vernahm sie die Menge, die sich dort auf den Bürgersteigen drängte. Tausende zogen ihre Notizbücher heraus und prüften betroffen die Eintragungen nach, die sie sich über den
Weitere Kostenlose Bücher