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Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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erstmals 20 Kilometer auf der Eisbarriere nach Süden und war damit zu diesem Zeitpunkt dem Südpol am nächsten gekommen.

    Ein Held wird gesucht
    Dass Borchgrevink nach seiner Rückkehr aus der Antarktis nicht die Ehre zuteil wurde, die ihm eigentlich zustand, hatte einmal mehr mit Sir Clements Markham und seiner Royal Geographical Society zu tun. Als die Southern Cross im Juni 1900 wieder in Großbritannien eintraf, fiel der Empfang eher kühl aus. Die öffentliche Aufmerksamkeit hatte sich längst auf ein anderes Unternehmen gerichtet, das mit großem Propagandagetöse aus der Taufe gehoben worden war: die »offizielle« britische Antarktisexpedition unter Federführung Markhams. Sir Clements war im Frühjahr 1899 bei der Suche nach finanzieller Unterstützung unverhofft doch noch erfolgreich gewesen: Ein Londoner Geschäftsmann hatte ihm 25 000 Pfund für das Unternehmen versprochen. Nun gab auch die britische Regierung ihre Zurückhaltung auf und sagte 45 000 Pfund zu. Die plötzliche Freigebigkeit des Schatzamts hatte freilich weniger mit einem unerwarteten Sinneswandel der politisch Verantwortlichen als vielmehr mit Fragen des nationalen Prestiges zu tun. Man hatte in London in Erfahrung gebracht, dass auch das Deutsche Reich eine offizielle Expedition in die Antarktis plante, und wollte den Deutschen keinesfalls das Feld überlassen. Dass die schwarz-weiß-rote Flagge des Kaiserreichs als Erste am Südpol aufgepflanzt würde, sollte unter Aufbietung aller verfügbaren Mittel verhindert werden.
    Sir Clements hatte nun die wichtige Frage zu klären, wer die finanziell inzwischen auf Rosen gebettete Expedition leiten sollte. Natürlich kam für ihn nur ein Marineoffizier infrage; Wissenschaftler oder Angehörige der Handelsmarine lehnte er grundsätzlich ab. Jung musste der Kandidat sein, da Markham sicher nicht ganz zu Unrecht glaubte, dass die Aufgabe »physische Kraftreserven und Mut, aber auch die geistige Flexibilität der Jugend erfordere«, wie die Historikerin Diana Preston schreibt. Auch sollte der Leiter der Expedition nach Markhams Vorstellungen aus den besseren Gesellschaftskreisen stammen und dementsprechendes Ansehen genießen. Dem Präsidenten der RGS wurde bald klar, dass die Suche mit diesem Anforderungsprofil zu einer aussichtslosen Jagd nach Mr. Perfect zu werden drohte, denn ein ins Auge gefasster Offizier nach dem anderen fiel aus. Einige Kandidaten wurden von der Admiralität erst gar
nicht freigegeben. Andere sagten von sich aus ab, da sie nicht jahrelang bei Dunkelheit und Kälte versauern wollten – in einer Zeit, in der der forcierte Ausbau der Navy glänzende Karrieremöglichkeiten bot. Ein weiterer Favorit Markhams war in Ungnade aus der Marine entlassen worden und somit ebenfalls aus dem Rennen. Somit wurde am 25. Mai 1900 als Kompromisskandidat ein 31 Jahre alter Oberleutnant der Torpedowaffe präsentiert: Robert Falcon Scott.
    Wohl kaum ein anderer Offizier der Royal Navy schien für die Aufgabe schlechter geeignet zu sein als Scott. Er entstammte einer Mittelschichtfamilie aus Devonport, einer Marinebasis vor den Toren der südenglischen Hafenstadt Plymouth. Zwar hatte die Familie einen starken Bezug zur Navy – Scotts Großvater Robert hatte es als Zahlmeister der Marine zu einigem Vermögen gebracht und nach seiner Rückkehr ins Zivilleben eine kleine Brauerei in Plymouth erworben. Dessen jüngster Sohn John Edward – Robert Falcon Scotts Vater – hatte den Betrieb jedoch bald wieder verkauft. Von den Erlösen lebte er mit seiner vielköpfigen Familie und einigen Bediensteten auf dem Familiensitz »Outlands« – in einem Haus, das seine besten Tage allerdings schon lange hinter sich hatte und für die vielen Bewohner eigentlich zu klein war. Rosenzucht und Gartenbau, die der Vater im Stil eines Landadligen zudem betrieb, brachten zu wenig ein, als dass die Familie auf allzu großem Fuß hätte leben können.
    Robert Falcon war ein feingliedriges und oftmals kränkliches Kind mit einem starken Hang zu Tagträumerei und Einzelgängertum. Nach dem Willen seines Vaters sollte er als ältester Sohn der Familie dennoch Karriere in der Marine machen. Im Sommer 1881 bestand er die Kadettenprüfung und wurde im zarten Alter von 13 Jahren in die Königliche Marineschule in Dartmouth aufgenommen. Mit dem steten Drill und der strikten Disziplin der Marineerziehung hatte der sensible Junge seine Schwierigkeiten; zudem musste er bald feststellen, dass er notorisch an der Seekrankheit

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