Der Wettlauf zum Suedpol
zerschnitten, und Amundsen sollte den Namen des Kapitäns zukünftig nicht mehr erwähnen.
Als die Sonne Ende Juli 1898 endlich wieder am Horizont erschien, richtete sich die Hoffnung der meisten Expeditionsteilnehmer nun darauf, möglichst rasch Richtung Heimat aufbrechen zu können. Doch zu ihrem Entsetzen hielt das Packeis die Belgica weiterhin fest im Griff. Sollte der Expedition, deren Vorräte langsam zur Neige gingen, ein weiterer Winter in der Antarktis drohen? Diese Vorstellung schien den Männern zu schrecklich, als dass sie hätte Realität werden dürfen. Als sie in einiger Entfernung eine offene Wasserrinne entdeckten, versuchten sie verzweifelt, einen Kanal in das Eis zu sägen und zu sprengen. »Kein Anarchistenknast hat je eifrigere Bombenbastler gesehen als die Belgica «, bemerkte Henryk Arctowski, der polnische Geologe an Bord, dazu später sarkastisch. Erst am 14. März 1899, mehr als ein Jahr nach der Ankunft in der Antarktis, gab das Eis das Schiff endlich wieder frei, und die Belgica konnte sich Meter für Meter hinaus ins offene Meer kämpfen. Als de Gerlache mit dem Rest seiner Truppe, Amundsen hatte das Schiff wegen seines Streits mit dem Kapitän bereits bei einem Zwischenstopp in Chile verlassen, im November 1899 wieder in Antwerpen eintraf, wurde er begeistert gefeiert – und ebenso schnell wieder vergessen. Der Belgier konnte zwar durchaus bedeutsame Forschungsergebnisse vorweisen – unter anderem hatte er den ersten vollständigen meteorologischen Jahresbericht der Antarktis aufgezeichnet, eine große Zahl von Pflanzen-und Gesteinsarten katalogisiert und die Westküste der Antarktis erstmals umfassend kartografiert: Wissen, auf das alle zukünftigen Expeditionen aufbauen konnten. Und doch fehlte ein zündendes Moment, ein Rekord, eine Heldengeschichte, die den Weg zur Unsterblichkeit gewiesen hätte.
Abb 22
Carsten Borchgrevinks (hier in »Camp Ridley« bei der Überprüfung von Forschungsobjekten) Bemühungen um britische Sponsorengelder für eine Antarktisexpedition unter britischer Flagge waren der RGS ein Dorn im Auge.
Daran versuchte sich nun der Mann, dessen fulminanter Auftritt in London das neue Interesse am Südkontinent erst eingeleitet hatte: Carsten Borchgrevink. Der Norweger hatte sich danach ebenfalls bemüht, Geldgeber für eine Antarktisexpedition zu gewinnen, konnte außer vagen Absichtserklärungen zunächst jedoch keine Erfolge verzeichnen. Im Frühjahr 1898 aber meldete sich der britische Zeitungsbaron Sir George Newnes bei ihm und bot ihm an, die Expeditionskosten von 35 000 Pfund zu übernehmen, wenn Borchgrevinks Unternehmen unter britischer Flagge segeln würde. Der Norweger nahm an – und schuf sich damit erbitterte Feinde. Denn auf das Markenzeichen »The British Antarctic Expedition«, unter dem Newnes die ganze Sache zu vermarkten plante, glaubten ganz andere Kräfte das Copyright zu besitzen.
Das waren vor allem jene »arktischen« Navy-Admiräle a. D., die sich in der Royal Geographical Society (RGS), der Königlichen Geographischen Gesellschaft, zusammengefunden hatten. An ihrer Spitze stand der Präsident der RGS, Sir Clements Markham, ein damals bereits fast
70 Jahre alter ehemaliger Kolonialbeamter. Markham war einst im Alter von 14 Jahren selbst in die Navy eingetreten und hatte als junger Mann 1850/51 an der Suchaktion nach Sir John Franklin teilgenommen, dessen beide Schiffe während der Erkundung der Nordwestpassage verschollen waren. Aus dieser Zeit rührten Markhams leidenschaftliche Begeisterung für die Polarforschung und seine schwärmerische Verklärung der britischen Marine, obwohl er selbst wenig später auf eigenen Wunsch aus dem aktiven Dienst ausgeschieden war. Seine Lebensaufgabe sah er darin, die britische Polarforschung unter dem Dach der Navy, die er als »die Kinderstube unserer Seeleute, die Schule unserer künftigen Nelsons und für junge Marineoffiziere die beste Gelegenheit, sich in Friedenszeiten auszuzeichnen« pries, wiederzubeleben.
Abb 24
Er war die treibende Kraft hinter der britischen Polarforschung: Sir Clements Markham (1830 – 1916).
Vor allem jene jungen Marineoffiziere hatten es ihm in durchaus »unangemessener« Art und Weise besonders angetan – auch wenn er offenbar diskret genug war, sich in der Heimat keine Affären zuschulden kommen zu lassen. Er war häufiger Gast der Königlichen Marineschule in Greenwich und liebte es, wenn die jungen Leutnants und Fähnriche in ihrer schmucken Paradeuniform vor
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