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Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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nach Norden vorgedrungen als je ein Mensch vor ihm.
    Und was war mit Roald Amundsen? Hatte er nicht nach der Rückkehr von der Nordwestpassage erklärt, das Ziel seiner nächsten Expedition sei nicht das nördliche Polarmeer, »sondern die unerforschte Eiswüste des antarktischen Kontinents«? Doch Amundsen kannte die wunden Punkte in Nansens Forscherbiografie und wusste, dass er seinen Ruf aufs Spiel setzen würde, wenn er gegen dessen Willen in den Wettlauf eintrat. Also brachte er nach seiner Rückkehr von der Nordwestpassage im Februar 1907 zunächst ein altes Projekt des Meisters wieder aufs Tableau: eine Driftreise über das Polarmeer. Von 1893 bis 1896 hatte sich Nansen mit einem speziell konstruierten Schiff, der Fram , durch das Packeis des Nordpolarmeers treiben lassen und dabei auf abenteuerliche Weise versucht, zu Fuß über das Eis den Nordpol zu erreichen. Er gelangte zwar weiter in den Norden als je ein Mensch vor ihm, verfehlte jedoch den äußersten Punkt. Es schmeichelte dem Meister, dass der elf Jahre jüngere Amundsen nun in seine Fußstapfen treten wollte; und noch mehr freute es Nansen, wenn Amundsen zunächst von den zahlreichen ozeanografischen
und meteorologischen Aufgaben sprach, die im Polarmeer der Erledigung harrten – und dann erst davon, auch dem Nordpol möglichst nahe kommen zu wollen.
    Dreh- und Angelpunkt in Amundsens Plänen war die Fram . Seine Gjøa hatte wohl dazu getaugt, durch die Meerengen des arktischen Archipels zu schlüpfen, für eine Tour ins ewige Eis des Nordpolarmeers war sie jedoch völlig ungeeignet. Das konnte nur die Fram , der ganze Stolz Norwegens. Das 1890 auf Kiel gelegte Schiff, dessen Name auf Deutsch »Vorwärts« bedeutet, versinnbildlichte den Anspruch des damals noch unselbstständigen Landes, zu den großen Entdeckernationen zu gehören. Die Fram stellte einen revolutionären Schiffstyp dar. Ihr runder Kielraum widerstand dem stärksten Packeis und hob sie, wenn sie vom Eis eingeschlossen wurde, nach oben. Alle Bauteile und Einrichtungsgegenstände waren dem Arbeiten in extremer Kälte angepasst. Der Dreimaster war zwar Eigentum des norwegischen Staats, doch Nansen, der die Fram in Auftrag gegeben hatte, hatte sich ein Vorgriffrecht auf das Schiff auserbeten.
    Jetzt wollte Amundsen die Fram nutzen. Unmittelbar, nachdem er von der Nordwestpassage zurückgekehrt war, hatte er den Nestor der Polarforschung um die Freigabe des Schiffs gebeten. Doch erst ein Besuch bei Nansen im September 1907 brachte die Entscheidung: »Sie sollen die Fram haben.« Wie sehr ihn das schmerzte, geht aus einem Brief hervor, den Nansen später an Amundsen richtete: »Wenn ich zunächst meine Expedition durchgeführt hätte und Ihnen danach die Fram überlassen hätte, wäre, wie ich Ihnen damals sagte, Ihre Fahrt zu lange hinausgeschoben worden. Und dann, dachte ich letzten Endes, würde Ihre Fahrt über das Nördliche Polarmeer von größerer wissenschaftlicher Bedeutung sein als meine Entdeckung des Südpols und als die Vermessungen, die ich dort hätte durchführen können und die genauso gut jemand anders würde machen können. Und so gab ich blutenden Herzens den Plan auf, den ich so lange gehegt hatte und der mein Lebenswerk gekrönt hätte. Ich tat das zugunsten Ihrer Fahrt, das schien mir wichtiger zu sein und Norwegen größeren Gewinn zu bringen. Sie waren jünger und hatten ein großes Lebenswerk noch vor sich. doch was es mich kostete, mich von meinen lang gehegten Plänen, die in mir Wurzeln geschlagen hatten, loszureißen, habe ich erst später gemerkt.« Wie sich zeigen sollte, hegte Amundsen
im entscheidenden Moment weniger Skrupel als sein großes Vorbild.
    Öffentlich mimte er zunächst weiter den selbstlosen Forscher. »Es gibt viele Menschen, welche glauben, dass eine Polarexpedition nur unnützer Verlust an Geld und Leben ist. Mit dem Begriff Polarexpedition verbinden sie in der Regel einen Gedanken an einen Rekord, zum Polpunkt oder am weitesten gegen Norden zu kommen, und in diesem Falle muss ich mich mit ihnen einig erklären«, beteuerte er bei der offiziellen Vorstellung seines Projekts im November 1908. »Aber ich will auf das bestimmteste erklären, dass dieses – der Sturmlauf gegen den Pol – nicht das Ziel dieser Expedition sein wird. Der Hauptzweck ist ein wissenschaftliches Studium des Polarmeers.« Bei solch hehren Zielen war dem Forscher die Unterstützung seiner Landsleute gewiss – Norwegens neuer Monarch Haakon spendete schon tags

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