Der Wettlauf zum Suedpol
Shackletons nutzen und eine neue britische Expedition losschicken, ehe andere Länder davon profitieren könnten. Der Pol dürfe nur von einem Engländer erobert werden. Er selbst, erklärte er unter dem Raunen des Publikums, sei dazu bereit, und schloss seine Rede mit den Worten: »Was mir jetzt zu tun bleibt, ist, Mr. Shackleton dafür zu danken, dass er so nobel den Weg gewiesen hat.« Es war eine erneute Kampfansage.
Abb 31
Bis hierher und nicht weiter: Shackleton posiert mit zwei seiner drei Begleiter am südlichsten Punkt, den bis dahin Menschen erreicht hatten (180 Kilometer vor dem Südpol, Januar 1909).
Die Zeiten, in denen die Royal Geographical Society ihren einstigen Protegé vorbehaltlos unterstützte, waren freilich vorbei. »Wenn Scott unbedingt eine weitere Antarktisexpedition leiten will, soll er das tun, aber diese Expedition sollte wissenschaftlichen Charakter haben«, schrieb Admiral Sir Lewis Beaumont, Mitglied des Rats der RGS, im Juni 1909 an Leonard Darwin, Markhams Nachfolger als Präsident der Gesellschaft. Man müsse Scott vor dem Fehler bewahren, »mit Shackleton zu konkurrieren und eine Expedition zu organisieren, die wieder den alten Weg geht, bloß um jene 97 Meilen zu schaffen«. Genau das hatte Scott allerdings vor. Als er im September 1909 offiziell seine Absicht bekannt gab, erneut in die Antarktis zu reisen, war das ein echter Paukenschlag. Scott erklärte, zwei Stützpunkte anlegen zu wollen: einen auf King Edward VII.-Land westlich der Großen Eisbarriere, den anderen wie gehabt am McMurdo-Sund. Das Hauptziel der Expedition bestehe darin, entweder von dem einen oder dem anderen Punkt aus »den Südpol zu erreichen und sicherzustellen, dass die Ehre dieser Leistung dem britischen Empire zufällt«. Eingeweihten war jedoch längst klar, welchen Weg Scott zu nehmen gedachte. Er würde in den Fußstapfen Shackletons zum Polarplateau emporsteigen und eben »jene 97 Meilen« erledigen, die dieser nicht geschafft hatte.
Vom Nordpol zum Südpol
Wieder einmal war von möglichen Konkurrenzunternehmen die Rede. Nicht nur, dass Shackleton postwendend andeutete, abermals nach Süden aufbrechen zu wollen; auch von den Deutschen, den Amerikanern und sogar den Japanern wusste man, dass sie Expeditionen zum Südkontinent vorbereiteten. Nur aus Norwegen war nichts zu vernehmen. Vor allem der Name Fridtjof Nansens stand in diesem Zusammenhang im Raum. Nansen hatte durch seine Expeditionen in der Arktis der Polarforschung
ganz neue Wege aufgezeigt und war damals weltweit als wichtigste Kapazität auf diesem Gebiet anerkannt. Seine Bedeutung reichte jedoch weit über die Wissenschaft hinaus. Er war zu jener Zeit neben dem Dramatiker Ibsen, dem Maler Munch oder dem Komponisten Grieg einer der bekanntesten Norweger überhaupt und Symbolfigur für die Unabhängigkeitsbestrebungen des Landes. Nachdem sich Norwegen 1905 von Schweden losgesagt hatte, war Nansen in die Politik gegangen und norwegischer Botschafter in London geworden. Später, in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, sollte er sich als Völkerbund-Hochkommissar für Flüchtlingsfragen einen Namen machen und erhielt für seine Leistungen den Friedensnobelpreis.
Abb 9
Fridtjof Nansen (1861 – 1930) war der große Neuerer in der Polarforschung und Amundsens Vorbild.
Es war ein offenes Geheimnis, dass Nansen den Habitus des Diplomaten liebend gerne wieder mit der Fellkleidung des Polarforschers getauscht hätte und selbst auf große Fahrt gegangen wäre. Zudem hatte er sich, seit er 1889 von seiner Grönlanddurchquerung zurückgekehrt war, immer wieder mit einer eigenen Antarktisexpedition beschäftigt – vermutete er doch ganz richtig, dass der Kontinent einem riesigen Eisschild gleichen und insofern Grönland nicht unähnlich sein würde. »Der Südpol lag da wie ein unbeschriebenes Blatt in der Chronik der Menschheit und wartete nur darauf, dass er sich dort eintrug«, konstatiert der norwegische Autor Tor Bomann-Larsen. Jedoch sei Nansen immer wieder vor der Reise zurückgeschreckt, da er wie kein anderer Polarforscher »die tiefe Kluft zwischen persönlicher Eitelkeit als Triebfeder und seriöser Forschung« gesehen habe. Eine wirklich vernünftige, wissenschaftlich haltbare Begründung für den Marsch zum Pol habe er nicht ins Feld führen können.
Abb 10
Von Juni 1893 bis August 1896 war Nansen mit seinem speziell hierzu konstruierten Schiff, der Fram (im Hintergrund), durch das nordpolare Packeis gedriftet und dabei weiter
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