Der Wettlauf zum Suedpol
anzulegen. Doch schon nach wenigen Tagen machte das nächste Pony schlapp, diesmal der so geschmähte Weary Willie. Erneut entspannen sich Diskussionen zwischen Oates und Scott, ehe Letzterer schließlich ein Machtwort sprach: »Ich habe genug von dieser Tierquälerei, und ich werde nicht um ein paar Tagesmärsche willen gegen mein Gefühl handeln.« – »Ich fürchte, das werden Sie bereuen, Sir«, antwortete Oates, doch Scott entgegnete: »Bereuen oder nicht, mein lieber Oates, ich habe mich entschieden wie ein Christ.« Diese christliche Anwandlung Scotts sollte sich später als schweres Verhängnis erweisen, denn das sogenannte »One Ton«-Depot wurde nun an Ort und Stelle errichtet, fast 60 Kilometer nördlich des 80. Breitengrads. Das Lager bestand aus nicht viel mehr als einem Schneehügel, in dem Nahrung und Brennstoff vergraben wurden. Als Markierung war ein schwarzer Wimpel an einem Bambusrohr befestigt und auf die Kuppe des Hügels gesteckt worden; außerdem hatten die Männer einige Blechbüchsen aufgestapelt, welche die Strahlen der Sonne reflektieren und Blinkzeichen in die Einöde senden sollten. An diesem Tag herrschte gutes Wetter, und das Depot war tatsächlich schon von Weitem gut zu erkennen. Aber was wäre, wenn man darauf angewiesen sein würde, das Lager bei trübem Licht oder im Schneesturm zu finden?
Die ersten Tage im ewigen Eis
Nach drei Tagen in Novo geht es für die Teams mit Spezialfahrzeugen »querschneeein« 100 Kilometer Richtung Süden, wo die zweite Phase der Akklimatisierung beginnen soll – der Aufstieg auf das Polarplateau. Am Horizont erscheinen die eindrucksvollen Silhouetten von Ulvetanna, Kintanna und Holtanna. Diese Nunataks gehören zu den Spitzen eines Gebirges, dessen höchste Gipfel das kilometerdicke Inlandeis durchstoßen und solchermaßen spektakuläre Granitberge formen, die wie Raketen in der weißen, scheinbar endlosen Gletscherwüste stehen. Eine Traumkulisse für das erste Camp und die ersten Schritte mit Schlitten und Skiern in der Antarktis.
Der erste Tag der Akklimatisierung verläuft recht glatt. Die Rennteams gewöhnen sich an ihre etwa 60 Kilogramm schweren Schlitten und das Gefühl, immer wieder von Schneeverwehungen, den sogenannten Sastrugi, aufgehalten zu werden. Aber der Weg ist eben, sie befinden sich erst auf ungefähr 1700 Meter Höhe, und es ist maximal minus 20 Grad kalt – Traumbedingungen! Doch schon am zweiten Tag sieht die Welt ganz anders aus. Der Wind bläst den Rennteams entgegen, dabei müssen sie 20 Kilometer und rund 300 Höhenmeter zurücklegen. Wegen der Gefahr durch Gletscherspalten müssen die Teams angeseilt vorangehen – eine wichtige Vorsichtsmaß-nahme. Auch wenn mit den Expeditionsfahrzeugen nur wenige Tage vorher die Route auf Gletscherspalten überprüft und für sicher befunden wurde, darf kein Risiko eingegangen werden. Die Antarktis ist von einem 2000 Meter dicken Eispanzer bedeckt, in dem sich vor allem in der Nähe der Küsten, dort wo der Gletscher vom Plateau hinunterfwandert, überall unter dem Schnee Gletscherspalten verbergen, die ohne Weiteres ein komplettes Expeditionsfahrzeug verschlucken könnten.
Abb 55
Die ersten Schritte in der Antarktis – unter den Augen des Filmteams.
Abb 56
Gar nicht so einfach: Schlittenfahren am Gletscher.
Die Rennteams bekommen einen Vorgeschmack auf die körperlichen Herausforderungen der kommenden Wochen, denn ihre Ausbilder verlangen eiserne Disziplin. Nach nur fünf Minuten Rast pro Stunde heißt es immer: Weiter, weiter. Obwohl sie am Ende des Tages total erschöpft sind, ist ihnen keine Pause vergönnt – was manchem überhaupt nicht gefällt. Doch Frustrationen überwinden zu lernen ist wichtig, bevor das Rennen gestartet wird – dann muss das Team zusammenhalten.
Am nächsten Morgen geht es weiter hinauf – von Erholung kann keine Rede sein. Nachdem der lange Anstieg bereits enorm an den Kräften gezehrt hat, tut sich das deutsche Team bei der sich anschließenden Abfahrt noch schwerer damit, die Schlitten unter Kontrolle zu halten und auf den Beinen zu bleiben. Markus Lanz resümiert: »Was wir hier gemacht haben, führt dich schon
an die Grenzen dessen, was du machen kannst – und wenn du jemand bist, der nur irgendwo die leiseste körperliche Schwäche hat, dann wird es hier in dieser Umgebung erbarmungslos offenbar.«
Die letzte Herausforderung während der Trainingsphase bildet ein besonders zerklüftetes Sastrugifeld mit bis zu einem Meter hohen
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